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Dieses Thema hat 30 Antworten
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 Die Bibliothek
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Eileen Pennyfeather Offline

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Beiträge: 52

27.09.2006 10:30
Gewissenskrämpfe Antworten
Jes führte meinen Gedanken des 'Fast' genau so fort, wie ich es mir auch gedacht hatte. Das fand ich irgendwie lustig. Ich hatte es zwar nicht betont, aber ich hatte es gesagt, was wohl mehr war, als es wegzulassen. Noch konnte ich das fast nicht betonen, denn Danielles Fähigkeiten lagen für mich so tief im Schatten... es ging einfach noch nicht. Er führte weiter, dass es ihn aber nichts anginge, weil er auch nichts wirklich davon mitbekommen hatte. Ihm schien auch das Wort 'Machtkampf' nicht zu gefallen, was mich, ebenso wie das bezüglich dem 'Fast', wiederum schmunzeln ließ. Man, diese Unterhaltung ließ mich irgendwie verdammt oft schmunzeln und grinsen, oder? Auch gut. Sollte nur bedeuten, dass ich meinen Spaß damit hatte mich selbst in die Reserve locken zu lassen, ebenso wie zu versuchen ihn in die Reserve zu locken. Hin und her, auf und ab, statt einfach direkt zu sagen, was man dachte. Das war die rednerische Kunst, die man sich zu Nutze machen wollte, wenn man nicht an Langeweile sterben wollte. Jes beherrschte diese Form des Redens- oder auch dessen, was man halt nicht sagte- wirklich gut, was wohl auch viel damit zu tun hatte, dass er an sich nicht viel redete.

Ich schweife ab. Ich war gerade dabei darauf einzugehen, dass ihm das Wort 'Machtkampf' nicht gefiel. Das merkte ich an seine großzügigen Pause, bevor er es äußerte. Es hatte mich, wie gesagt, mal wieder schmunzeln lassen, und ich nickte, dem zustimmend, was er in diesem Falle nicht sagte, was ich mir aber denken konnte, was ihm bezüglich des Wortes auf der Zunge lag. Es war auch nicht wirklich ein schönes Wort. Aber konnte man etwas anderes dazu sagen? Es handelt sich hierbei schließlich um eine Erziehung, an die Matthew glaubt. So fest, dass er nicht zulassen würde, seine Schwester würde etwas anderes glauben. Gut, den Glauben an sich könnte man wohl nicht beeinflussen, denn was sie glaubte, und ob sie das so ausführte, waren ja zwei unterschiedliche Dinge. Jedenfalls hat Matthew im Moment die Zügel in der Hand... aber vielleicht...

"Nun, 'Machtkampf'" ich pausierte um deutlich zu machen, dass ich mich jetzt auf das Wort an sich bezog, "hofft schlicht und ergreifend, dass sie irgendwann eventuell in der Beziehung zwischen sich und ihrem Bruder Gleichheit gewinnt... oder die Oberhand." Wie man es doch genießen konnte, frei vom Bruder zu sein. So war es jedenfalls meine Erfahrung. Ich weiß nicht, ob Jes irgendetwas von diesen Dingen wusste. Ich konnte sein Familienleben nicht einschätzen. Eventuell war er der stille und artige Sohn, der gute Noten nach Hause brachte... aber ich konnte wirklich nichts sagen. Er war bezüglich seines Privatlebens wirklich alles andere als transparent, selbst wenn ich andere Muster seine Art zu verstehen begann. Diese Information blieb mir aber dennoch bis jetzt unfassbar- soll in diesem Fall heißen, dass ich die Information nicht ergreifen oder erfassen kann und nicht, dass es unglaublich ist. Man weiß ja nie, wie andere Leute das Wort 'unfassbar' verstehen.

Nun ging ich nicht weiter auf den eigentlichen Machtkampf und seinen Inhalt an sich ein. Wenn Jes es noch nicht gesehen hat, dann würde ich es ihm jetzt auch nicht sagen, wie so eine Klatschtante. Ich hatte immer gedacht es sei allgemein bekannt, aber das lag wohl daran, dass ich in einem Kreis von Freunden war, die halt alle über diese Dinge bescheid wussten. Es war nunmal unvermeidlich, wenn man irgendwie Zeit mit Matthew verbrachte und ihn mal mit seiner Schwester sah. Was mich aber überraschte war, dass Jes es nicht zumindest für was es war erkannt hatte, als Matthew die beiden angeblich beim Fliegen erwischt hatte. Mh... Ich konnte mir auch diesbezüglich keinen Standpunkt erschließen. Er sagte nur immer, dass es ihn ja 'nichts anginge'. Auch das finde ich irgendwie witzig.

"Dieser Satz passt zu dir." Schloss ich darauf hin, und um zu erklären, was ich meinte, weil er ja kaum meinen Gedankenstrang mitverfolgen könnte, "Ich meine dieses: 'Es geht mich nichts an'-Ding, was du immer ausstrahlst. Und auch manchmal sagst." Er legte den Kopf ein wenig seitlich, wie eine halbe Frage, ohne wirklich eine zu wollen. Es war nur eine Form meine Vermutung auszudrücken, "Es geht dich nichts an, es geht mich nichts an, so in der Art. Eine Mauer des 'Ist mir doch egal, weil es mich nichts angeht' und 'Sag ich dir nicht, weil es dich nicht angeht'." Ich hatte das Gefühl als wäre ich gerade etwas zu dreist, einfach soetwas zu sagen. Und im nachhinein kam es mir auch etwas unüberlegt vor, weshalb ich, gleich als ich das merkte, nachdem ich fertig gesprochen hatte, mich wieder etwas tiefer in meinen Sessel setzte und normal guckte, mit der Schulter zuckend und leicht lachend, "Keine Ahnung."

Ich sollte lieber das Thema wechseln. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte wirklich gerade das Gefühl gehabt zu dreist zu sein, mit dieser offenen 'Persönlichkeitsanalyse'. Soetwas machte man nicht aber ich war nicht der Mensch, der sich entschuldigte, selbst wenn ich ein leicht schlechtes Gewissen bekam. Eventuell konnte er das ja abwinken und lachen und würde gar nicht verstehen, wieso es mich irritierte, dass ich es offen gesagt hatte. Ich glaube ich mache mir wieder zuviele Gedanken über etwas, auf das er sowieso keine Antwort geben würde.
Ich sprang lieber gleich zum Thema 'Anstiften' über, welches wieder ein Grinsen verdiente, "Achso, vorschlagen nennt man das also heute? So so..." Ein zweites missbilligendes Kopfschütteln. Er stimmte mir zu, sie hätte Spaß gehabt und das ließ mich glauben, dass ihn das auch irgendwo freute. Wieso würde er sonst nicken? Aber wieso sollte er sich auch nicht für Danielle? Er ist ja kein Unmensch, der anderen keine Freude gönnt, nur weil er seine Emotionen so gut wie gar nicht, oder eher kaum, zeigte. Er hatte ja trotzdem welche. Ich weiche wieder weit ab mit meinen Gedanken.

Als er schockiert- gut, es klang nicht schockiert, aber ich nahm mal an, dass dies seine Form der Empörungwar, schließlich würde sich doch jeder Junge ärgern, wenn man ihm ein 'ylein' an den Namen hängt- feststellte, wie ich ihn genannt hatte musste ich schon wieder lachen, ließ es aber schnell verstummen, weil ich das Gefühl hatte, ich lache zu viel und würde seine gewohnte Ruhe und Schweigsamkeit erzürnen. Ich räusperte mich, das lachen unterdrückend, "Ach, 'Tschuldigung, ich dachte nur, wo wir schon so viel miteinander reden gerade könnte ich dir auch einen süßen Kosennamen geben." Nur zur Information: Dieser Satz wird mit strotzender Ironie gelesen. Ich glaube mein Humor würde ihm zu viel werden, deshalb versuchte ich mich halt zu sammeln und nicht mehr so viel blöd zu grinsen. Es kam mir schon selbst zu viel vor.

Jes' Antwort auf meine Frage, was er in den Ferien getrieben habe, war wohl mehr als knapp und dürftig. Würde ich noch etwas aus ihm heraus hohlen können, nachdem ich seine Nerven mit meinem ständigen Gekicher wohl überstrapaziert hatte? Ein Versuch war es wert. Gelesen, gegessen, geschlafen. Ich sah ihn ernst und fragend an, "Ich glaube du hast da 'geatmet' und 'getrunken', 'auf Klo gegangen' und 'gesprochen' vergessen, oder behandelst du deine häusigen Mitmenschen genauso wie deine Mitschüler? So schweigsam und ernst?" Wieder zuckte ein Grinsen eine halbe Sekunde lang über meine Lippen. Aber wirklich klein und kaum überhaupt merklich. Vielleicht war es ihm garnicht aufgefallen. Innerlich grinste ich natürlich breit, wie es üblich war. Vielleicht wäre er auch jetzt schon über mit den Nerven und würde sich entscheiden zu gehen. Ich fragte vermutlich zu viel für seinen Geschmack. Aber hey, von sich aus erzählte er ja nicht und da ist Fragen, suggiestives Fragen, wohl gemerkt, wohl die einzige Form etwas aus ihm herauszukitzeln.

Jesroe McThorn Offline

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Beiträge: 90

27.09.2006 18:51
Gewissenskrämpfe Antworten
Wieder einmal lächelte Penny bei meinen Worten. War das hier wirklich so lustig? Ich meine, natürlich war dies hier interessant, interessanter als manch andere Unterhaltung, aber doch nicht so sehr, dass man bei jedem Satz begann zu schmunzeln. Nun, es war ihre Sache. Es nutzte mir nichts, mich darüber aufzuregen, denn davon abhalten wollte und konnte ich sie nicht. Wollen deshalb nicht, weil es wohl ihr Charakter war, dauernd zu lächeln und ich wollte ja auch nicht, dass man mir verbot nicht zu lächeln. Dieser Gedanke trieb automatisch ein kleines Lächeln auf meine Lippen, wenn auch nur für einen Sekundenbruchteil. Wie irreführend Gedanken doch sein konnten. Also, ich wollte sie nicht davon abhalten. Und ich konnte auch nicht. Ich konnte es deswegen nicht, weil man anderen Leuten nicht verbieten konnte etwas zu tun, wenn man nicht ihr Missfallen erregen wollte oder selbst nicht wollte, dass der andere irgendwann einem selbst etwas verbieten würde. Für manche sicher eine dürftige Erklärung, doch mir reichte sie.

Auch bestätigte sie meine Erläuterung mit einem kurzen Nicken, eine Sache, in der wir uns sehr ähnlich waren. Man brauchte nicht immer Worte, um das zu sagen, was man anderen mitteilen wollte. Viele brachten es fertig, eine halbe Stunde am Stück zu reden, ohne das zu sagen, was sie vorhatten zu sagen, da war ein einfaches Nicken oder eine andere Gestik sicher einfacher und ausdrucksvoller.

"Nun, 'Machtkampf'" Sie machte es mir gleich und ließ auch eine Lücke.. allerdings nicht vor dem Wort, sondern dahinter, was es nicht weniger hervorhob. "hofft schlicht und ergreifend, dass sie irgendwann eventuell in der Beziehung zwischen sich und ihrem Bruder Gleichheit gewinnt... oder die Oberhand." Auch nickte wieder nur. Eine lautlose, dennoch deutliche Bestätigung. Mehr war nicht nötig. Ich hatte damit alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Wieso also unnötig viele Worte verschwenden?

"Dieser Satz passt zu dir." Kurz zog ich meine Stirn in Falten. Welchen Satz meinte sie? Wirklich komisch. Man konnte doch nicht einfach darauf losreden, ohne dass der andere wusste wovon man eben sprach. Aber die Sache mit den unnötigen Worten ging mir ja eh schon die ganze Zeit durch den Kopf. Bevor ich allerdings was erwidern konnte erklärte sie sich. Wahrscheinlich hatte sie auch bemerkt, dass ich sicher keine Ahnung hatte, welchen Satz sie eben angesprochen hatte. Ein richtiger Redeschwall ergoss sich plötzlich aus ihrem Mund, der mir ein kleines, vielleicht ein wenig schadenfrohes, Grinsen auf die Lippen zauberte. Es hörte sich fast so an, als würde sie noch während des Sprechens bemerken, dass sie gerade vielleicht zu weit ging. Meiner Meinung nach tat sie es nicht. Ich sagte anderen Leuten auch, was ich dachte – das heißt, wenn jemand mich danach fragte und es nichts persönliches war. Sie endete mit einem Schulterzucken, einem kurzen Lachen und einem „Keine Ahnung.“ Da sollte ich doch gleich zurückschlagen. “Wie du meinst. Mir ist es egal.“ Keine Gefühle, keine Betonung. Wieder eine völlig ausdruckslose Feststellung. Vielleicht würde es sie ärgern, doch nach dem zu schließen, was ich in der vorausgegangenen Unterhaltung herausgefunden habe wird sie wohl eher lachen oder Ähnliches. Doch das würde ich sicher noch früh genug erfahren.

"Achso, vorschlagen nennt man das also heute? So so...", meinte sie mit einem, mir schon allzu bekannten, Grinsen auf den Lippen, später begleitet von einem missbilligendem Kopfschütteln. “Allerdings. Vorschlagen.“ Es war schließlich die Wahrheit. Ich hatte Danielle gefragt, sie hatte ‚ja’ gesagt. Nichts mir anstiften oder Sonstigem. Doch mir sollte es egal sein, was sie darüber dachte. Schließlich war mir ihrer Meinung nach ja oft etwas egal. Oder ich tat nur so. Wieder ein Punkt, an dem ich ihre Gedanken beim besten Willen nicht lese konnte. Obwohl es egal war, welchen Punkt ich anvisierte, ihre Gedanken könnte ich so oder so nicht lesen.

Auf das nächste Thema – oder eher auf mein fragendes ‚Jessylein’ – lachte sie erst einmal, was ich nun wirklich nicht gutheißen konnte, doch sie kriegte sich schnell wieder ein. Sie hatte wohl auch bemerkt, dass es etwas unpassend war. "Ach, 'Tschuldigung, ich dachte nur, wo wir schon so viel miteinander reden gerade könnte ich dir auch einen süßen Kosennamen geben." Das verlangte wohl eine Anschrecktherapie. Natürlich überhörte ich nicht die Ironie, die diese Worte begleitete, doch sie durfte nicht anfangen zu denken, dass sie sich so etwas herausnehmen durfte. Wie es bei solchen Situationen natürlich immer der Fall war fiel mir zuerst keine passende Antwort ein – wobei ich erwähnen muss, dass ich noch nie in einer solchen Situation war, schließlich hatte mich zuvor noch nie jemand mit Jessylein angeredet – sondern nur eine völlig stupide Art der Vergeltung. Obwohl Vergeltung dafür ein viel zu hoch gegriffenes Wort war.

Wie dem auch sein. Ich stand langsam auf, warf noch einen kurzen prüfenden Blick auf meine Sachen – wieso ich das tat weiß ich nicht, wahrscheinlich bin ich mit meinem Tagebuch einfach übervorsichtig – und trat an den Sessel, in dem Penny es sich gemütlich gemacht hatte. Natürlich war dieser dem Tisch zugedreht, so ergriff ich ihn an den Armlehnen und drehte ihn so, dass Penny mir wohl oder übel ins Gesicht sehen musste. Meine Hände behielt ich an Ort und Stelle, was der Grund für meine gebeugte Position war. Eine kurze Zeitspanne sah ich ihr nur in die Augen, ohne darin irgendwelche Gedanken zu erkennen. In meinen Seelenspiegeln dagegen zeichnete sich deutlich die Verärgerung ab, dennoch gemischt mit ein wenig Belustigung. Es traute sich nicht oft jemand, mich so zu ärgern. “Glaubst du, dass ein süßer Kosename zu mir passen würde?“ Meine Stimme war ein Flüstern, nur ein kleiner Hauch, was es wohl ein wenig bedrohlich wirken ließ.

Auf ihre letzte Bemerkung ging ich gar nicht erst ein. Was sollte ich auch groß dazu sagen? Dass ich alleine lebte? Was ging sie das an?

Eileen Pennyfeather Offline

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Beiträge: 52

28.09.2006 06:48
Gewissenskrämpfe Antworten
Jes schienen meine Worte, wie schon gedacht, nicht zu interessieren, bezüglich meiner kleinen Persönlichkeitsanalyse. Er sagte sogar, es sei ihm egal, obwohl es ihn dieses Mal wo doch etwas anging. War es ihm wirklich so gleich, alles? Aus irgendeinem Grunde fand ich das in dem Moment wirklich schade. Konnte er wirklich so gleichgültig fühlen, wie er es immer von sich sagte und wie er immer tat? War das überhaupt möglich? Es schien mir zumindest unmöglich Dinge an mir vorbei gehen zu lassen. Ich wünschte es manchmal wirklich. Er konnte es einfach ignorieren, mit diesem 'es geht mich nichts an' und 'ist mir doch egal'. Wie machte er das? Ich explodiere immer gleich, schmeiße mit Sachen um mich, kreische, zicke. Ich liebe es ja eigentlich. Was gibt es schöneres als einen guten Grund so richtig auszurasten und die Welt um einen herum zu verwüsten? Es fielen mir wirklich nur die wenigsten Dinge ein, als Antwort auf diese Frage. Ich grinste nun nur noch kaum und murmelte, eher zu mir selbst, als zu ihm, "Beneidenswert." Das hatte er wahrscheinlich nicht gehört, aber das war ja auch egal. Wow, mir war auch mal etwas egal, nicht schlecht. Nun, beneidenswert war die Kontrolle. Denn selbst wenn es ihm vielleicht nicht egal war, war er sehr gut darin zumindest so zu tun. Er hat die Wahl, wann er ausrasten will und wann nicht. Manchmal, aber nur ganz manchmal, war es auch mal gut, wenn man sich unter Kontrolle halten konnte, was mir meistens entsagte.

Das Gespräch schien irgendwie nun halb zuende. Er nickte meistens nur noch als Antwort, wie es seine Art war, und stimmte nur ein einziges Mal laut zu, als es um sein 'Vorschlagen' bezüglich Danielle ging. Ich nickte nur noch halb aufmerksam auf den eigentlichen Inhalt seiner Worte, obgleich es nur bestätigende waren. Der Sinn drang nur noch halb durch, als ich in Gedanken versank, mein Gesicht nur noch, wie gesagt, bei einem ganz sanften Grinsen, als wäre ich abgelenkt worden vom eigentlichen breiten Grinsen, was ich eben gerade erst so excellent hervorgebracht hatte. Kennt ihr diese Tage, an denen man existentielle Zweifel hatte? So Dinge wie 'der Sinn des Lebens' und dergleiches. Tage, an denen man sich nicht so toll fühlte, weil man an die Ewigkeit des Universums zu kauen hatte, oder an dem, was nach dem Leben kommt? Nun, ich habe diese Tage oft. Manchmal habe ich auch nur kurze Gedankeneinschübe. Mir passiert das wirklich ständig und gerade gab es wieder eine solche Situation.

Ich zerbrach mir urplötzlich den Kopf an dem Gedanken, wieso ich eigentlich so bin, wie ich bin, und was das für einen Sinn hatte? War es nicht viel einfach sich einfach abzublocken, wie Jes es tat, um einfach nicht mehr so viel Stress zu haben? Wer wollte schon Stress? Ein geschmeidiges Leben konnte es geben- der Reim war nicht Absicht- wenn man sich ein wenig besser unter Kontrolle hatte. Aber wo wäre der Spaß? Vielleicht hatte Jes seinen Spaß, aber ich konnte ihn nur Vage erkennen. Was hatte es also für einen Sinn, diese verbalen Tänzereien durchzuführen? Vielleicht musste ich da auch egoistisch sein, auf seine Kosten. Ich meinen Spaß haben, ganz gleich, ob er gleich empfand. Ein trauriger Gedanke. Aber was soll ich sagen, wenn ich schon weniger Stress will, dann kann ich welchen da abbauen, wo ich ihn von anderen hätte. Ich mach mir keinen Stress um das, was andere denken. Ok, das war eigentlich gelogen, aber die Gefühle, die waren es, mit denen ich kein Mitleid hatte, somit also dort kein Stress. Macht das Sinn? Wahrscheinlich nicht, aber für mich schon.

Ach ja, es ging gerade um 'Jessylein'. Mein Grinsen war hier also wieder in Platz, nach dem kurzen Ausbruch von Gelächter und meinem Beitrag dazu. Und ich wusste auch schon, dass ich die Stränge wohl überschlagen hatte. Aber hey, ich konnte nicht anders! Ich bin nunmal eine Frohnatur, ganz anders als Jes, wie es sich nun umsodeutlicher herausstellte. Sein Ernst auf diese Situation zu reagieren verblüffte mich dennoch. Es war ein seltsames Gefühlsgemisch von Aufregung und Angst zugleich, das sich in mir breit machte, als ich merkte, dass ihm das nun zuviel wurde. War es mein inneres Girly, das so viel Spaß daran hatte, ihn zu ärgern? Es war wie ein unsättigender Drang. Immer wieder und immer wieder. Ich konnte halt nicht nachvollziehen, wie er so ernt werden konnte, wegensoetwas und das war der Motor meiner Neckerei. Ich wusste nicht warum er sich aufregte, aber ich wusste, dass es ihn aufregte, und das reichte ja schon als Sprit.

Jes stand also auf und ich behielt mein schon erwähntes Verblüffen für mich. Wollte er nun gehen? Mein Grinsen war nun gänzlich von einer extremen Ausdruckslosigkeit ersetzt worden. Es war lustig, ja zum Schreien, so war mein empfinden, und gerade wenn er gehen würde könnte ich bestimmt nicht dem Drang wiederstehen ihm nachzulaufen und mich bei unterdrücktem Kichern für meine Dreistigkeit zu entschuldigen. Ja, ich plante die Situation praktisch in meinem Kopf schon vor und der Plan beinhaltete noch einige andere Phantasien, die ich wohl kaum umsetzen würde aber mir dennoch gerne einfach vorstellte. Meine Augen klebten an Jes und waren eventuell das einzige, war irgendetwas von meinen Emotionen zeigte. Angst und Aufregung. Meine Lieblingsmischung. Wie Adrenalin. Es war mir nur allzu bekannt. Das, war mich und Josh elementar Unterschied: Mein Durst danach und sein scheinbar offensichtliches Meiden dessen. Wie konnte man es meiden, wenn es so ein erwünschenswertes Gefühl war?

Was mich dann aber wieder verblüffte, was sich nur darin zeigte, dass sich meine Augen einen Tick weiteten, war, dass er seinen Sachen nur einen kurzen Blick zu warf, sie aber nich aufhob. Er wollte nicht gehen? Nein, ganz im Gegenteil. Statt sich möglichst weit von mir zu entfernen bevorzugte er also die extreme Nähe. Beide Hände auf die Sessellehnen und mit ungeahnter Kraft hatte er den Sessel so zu sich gedreht, dass er sich zu mir runterbeugen konnte, bedrohend nah. Und dann kam ein scheinbar unendlicher Moment, in dem er mich einfach nur anstarrte. Ich konnte garnicht weg gucken, als wäre ich betäubt. Sein Blick war so eindringend, dass es sich fast körperlich anfühlte. Und so ernst, so bedrohlich. Ich spürte wie mein Herz sich unter seinem eisernen Blick zu ringen. Es war als würde es wirklich physisch festgehalten werden, weil ich versuchte so still zu sein, wie es mir nur möglich war. Ein ungewohlt lautes Pochen war nicht zu tolerieren. Aber es wollte anders, weil diese Situation einfach zu schön war, um wahr zu sein. Was soll ich sagen, ich bin ein Kick liebender Mensch.

Kennt ihr das, wenn man jemanden beobachtet, von weiter, seinen Blick sucht, ihn dann erhält und ganz unwillkürlich selbst wegguckt? Das war gerade so ungefähr das genaue Gegenteil. Gibt es etwas 'ungefähr genaues'? Nein, es war das Gegenteil. Ich hatte den Atem stichartig eingesogen und ihn festgehalten, für diesesn unendlichen Moment. Es war es wert für diesen Moment zu ersticken. Er war ruhig und doch angespannt mit seinem Ärger, den er wohl mehr als deutlich machte, mit seinem Blick. War ihm überhaupt bewusst, dass er irgendwie genau das Gegenteil bewirkte von dem, was ich glaubte seine Absicht zu sein. Er wollte mich wohl abschrecken. Aber sein Blick zog mich zu etwas Gegensätzlichen. Ihn weiter zu treiben, als je jemand zuvor es sich getraut hätte, das war mein Wunsch und seine Worte, ein kaum merkliches flüstern, eine Frage, die eigentlich keine Scherzerei tolerierte. Ich schluckte und ein zittriges sehr kleines Lächeln kam auf meine Lippen. Wirklich klein und nichteinmal herausforderndes Lächeln. Ich konnte es nun wirklich und wahrhaftig unterdrücken, weil ich so aufgeregt war von dieser Anspannung, die in der Luft hing.

Meine Antwort kam und sie war geradezu automatisch und unwillkürlich ebenso leise und bedrohlich, wie die seine. Sie bezog sich garnicht erst auf seine Frage. Wieso sollte ich ihm da Antworten? Wie er es sagte, eine Antwort für diese Frage war mir mal ausnahmsweise wieder egal.
"Meinst du ich sollte mich vor dir fürchten?" Oh, welch sanftes Flüstern. Ich hätte es nicht besser machen können, wenn ich absichtlich versuchen würde, so zu reden. Dieses Flüstern kam so natürlich, dass es mir selbst einen Schauer bereitete, "Ich habe schon wesentlich schrecklicheres gesehen, in meinem Leben..." Meine Augen waren groß, aber nicht vor erstaunen oder sonstigem, sondern eher von einer Art Gier, einer Besessenheit alles in diesem Moment in mich aufzunehmen, weil man ihn genießen musste, so lange er andauerte, was wohl zweifellos nun nicht mehr lange sein würde. Wieso sollte er sich darauf einlassen? Es könnte ihm glechgültig sein, dass ich schon schrecklicheres gesehen hatte, was eher implizieren sollte, dass das wirklich alles andere als schrecklich war, "Nein, da muss man mich wirklich beeindrucken, um mir wirklich Furcht zu lehren."

Ich legte meine Hände auf seine Oberarme, eine Mischung aus Wegdrücken, Festhalten und Ranziehen, ohne ihn irgendwie wirklich zu stoßen oder ziehen. Sollte ihm frei sein, zu reagieren wie er wollte, nur musste er reagieren, und wenn es gehen war, dann sollte es mir recht sein, dieser Moment war allen Groll wert. Ich hatte die Chance seine Oberarme nur für eine Sekunde zu berühren. Wer hätte es mir denn nicht gleich getan? Ich glaube Rachel würde mich beneiden, wenn ich ihr davon erzählen sollte, aber ich war mir nicht sicher, ob ich das tun sollte. Ich hatte das Gefühl diesen Moment, der so zerbrechlich war, wie Glas, in ehren wahren zu wollen. Ich liebe das Gefühl von Muskeln unter meinen Fingern. Die warme Haut. Ich wollte ja schon fast meine Augen schließen, bei dem Gefühl, nur dass ich seinen Blick ja auch noch hatte, der nicht weniger aufregend war.

Jesroe McThorn Offline

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Beiträge: 90

28.09.2006 16:02
Gewissenskrämpfe Antworten
Wie ich gedacht hatte, dass sie reagieren würde? Vielleicht hatte ich gedacht, sie würde kein Wort vor Überraschung herausbringen. Vielleicht hatte ich gedacht, sie würde sich ein wenig ängstigen. Vielleicht hatte ich gedacht, sie würde aufspringen und davon laufen. Vielleicht hatte ich gedacht... Wenn ich genau darüber nachdachte, so kam ich auf den Schluss, dass ich zuvor kein einziges Mal über ihre eventuelle Reaktion nachgedacht hatte. So etwas ließ sich auch wohl kaum einplanen. Dennoch, mit dieser Reaktion hatte ich am wenigsten gerechnet. Wie hätte ich auch darauf kommen können, dass sie genauso reagierte, wie ich es wohl getan hätte – oder zumindest sehr ähnlich.

Ob sie sich fürchten sollte? Das wusste ich doch selbst nicht. Sollte sie sich fürchten? Vielleicht ein wenig. Sie sollte nicht schreiend oder kreischend weglaufen, das auf keinen Fall, doch sie sollte wenigstens zeigen, dass ich etwas bewirkt hatte. Dass ich mich nicht nur lächerlich machte mit dem, was ich tat. Obwohl ihr leises Flüstern mir klar und deutlich zeigte, dass sie sich keineswegs über mich lustig machte. Im Gegenteil, sie schien diese Situation zu genießen. In ihren Augen suchte ich nach dem Grund. Es musste einen Grund geben. Hätte ich dies bei einem Erst- oder Zweitklässler, vielleicht sogar bei einem Drittklässler, gemacht, so hätte dieser mich später sicher mit mehr Respekt behandelt, doch sie tat es mir gleich. Nein, natürlich nicht gleich. Doch eigentlich schon, nur auf eine andere Art und Weise, auch wenn ‚gleich’ und ‚auf eine andere Art und Weise’ sich gegenseitig wieder entkräftete, so schaffte sie es dennoch, sie in eine Gestik reinzupressen. Wieder ein zu hartes Wort, denn dieses sanfte Flüstern konnte man kaum mit ‚pressen’ beschreiben.

Sie ließ mir keine Zeit, auf ihre – sicherlich rethorische – Frage zu antworten, sonder behauptete, immer noch flüsternd, schon schlimmeres gesehen zu haben. Dies brachte mich automatisch zu einem kleinen, sehr kurzweiligen, Lächeln. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass sie schon schlimmeres gesehen hatte. Nicht, dass ich damit sagen möchte, dass ich so wunderschön bin, nein, schlimmeres als einen Menschen hatte man in dieser Schule sicher schon einmal gesehen. Obwohl ich mir fast sicher war, dass Penny dies nicht auf mein Äußeres bezogen hatte, sondern eher auf den Ausdruck in meinen Augen.

"Nein, da muss man mich wirklich beeindrucken, um mir wirklich Furcht zu lehren." Das hatte ich jetzt auch schon herausgefunden. Doch was wäre das wohl? Bei manchen Mädchen wäre da wohl eine Spinne oder irgendein anderes krabbelndes Tier am geeignetsten, doch Penny schätzte ich keinesfalls so ein, dass sie vor einem kleinen Insekt weglaufen würde. “Welche Methode schlägst du mir vor?“ Immer noch ein Flüstern, doch nicht mehr so bedrohlich wie zu Beginn. Es war wieder so wir zuvor auch, wie versuchten uns gegenseitig aufzuziehen, nur, dass die Außentemperatur sich geändert hatte.

Ich spürte, wie Penny ihre Hände auf meine Oberarme legte und Druck auf sie ausübte. Nein, sie stieß mich nicht weg. Nein, sie zog mich nicht zu sich. Was sie dann tat? Wirklich definieren ließ es sich wirklich nicht, doch darum ging es bei dieser Berührung wohl kaum. Damit hatte ich auch nicht gerechnet, wohl wahr, doch schlecht fand ich es auch nicht. Dieses Gespräch hatte sich eindeutig in eine Richtung gedreht, die ich nicht vorgesehen hatte. Aber was brachte es einen, wenn man alles einplante? Man müsste unzählige von Reaktionsmöglichkeiten des anderen einberechnen und dennoch würde man nicht an alle denken. Doch diese Gedanke passte wohl kaum in diese Situation. Ich sah sie einfach nur an, doch der verärgerte Glanz hatte sich aus meinen Augen entfernt und wurde durch ein kleines Funkeln ersetzt. Es war nicht das übliche amüsierte Funkeln, welches oft in meinen Seelenspiegeln lag, sondern eher ein... erwartungsvolles? Ich wollte wissen, wie weit sie gehen würde und ich würde sie zur Not noch weiter herausfordern.

Eileen Pennyfeather Offline

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Beiträge: 52

28.09.2006 19:16
Gewissenskrämpfe Antworten
Meine Güte, wieso hatte ich das Gefühl, dass der Raum von der vorherigen kalten Briese plötzlich ausgefüllt und warm war? Warm? Nun, wohl eher h-e-i-ß! Die riesige Bibliothek schien ausgefüllt von dr anspannung, die gerade nur zwischen uns zweien herrschte und das war ja fast mehr, als was man ertragen konnte. Was verlangte man hier von mir? Aber es ging nicht anders, mein Blick blieb an seinem hängen und es kam mir fast so vor, als wäre es nicht notwendig irgendetwas anderes je wieder anzusehen. Seine Augen waren tief und unlesbar. Er hatte training darin unlesbar zu sein, denke ich, aber gerade das machte es noch viel interessanter. Unerkennbar waren seine Absichten in dem, was er tat. wieso war er überhaupt hergekommen, an den Sessel? Hatte er wirklich versucht mir Angst zu machen mit seinem Spruch? Hatte er gar nicht gewusst, was so eine unerträglich neckende Nähe auf ein Mädchen, wie ich es war, bewirkte? Wenn er es noch nicht verstanden hatte, als er hergekommen war, dann war es ihm dennoch jetzt wohl mehr als deutlich geworden, bei meinen Augen, die ihn zu durchbohren suchten. Meine Hände lagen noch immer auf seinen Oberarmen und doch regte er sich nicht, machte zumindest keine Anstalt sich loszureissen, um sich von mir zu entfernen. Schade. Ich hatte ja halb gehofft, dass ich ihm nun etwas Angst machen würde. Aber das war wohl dann doch zu viel gehofft.

Seine Stimme kam wieder, als Antwort auf meinen letzten Satz, und sie kam wieder in einem sanften flüstern, nur dieses mal nicht so hart und bedrohlich, wenn nicht minder schauererregend. Meine Schultern zuckten fast unmerklich, nicht als Zeichen, dass ich keine Antwort auf seine Frage wusste, sondern, wegen der Gänsehaut, die mir über den Rücken lief. Es war aber, wie gesagt, nicht kalt. Aber wie konnte ich anders reagieren, als er sich nach einem Vorschlag erkundigte, was für Methoden man wohl verwenden könnte, um mir Furcht zu lehren. Ich wurde unwillkürlich an Fallen erinnert, bei denen es sich lohnte in sie hinein zu tappen. Doch irgendwie stockte es mir im Gehirn als ich seinen Geruch einnahm und die Wärme seines Körpers unter meinen Fingern spührte.

Es war als würde mir Nebel vor dem Verstand ziehen, was selbst in solchen Situationen für mich nicht typisch war. Was soll ich sagen, alles in allem überraschte mich das Fazit unseres Gespräches. Vorher hatten wir nur versucht den anderen mit Andeutungen aller möglicher Art über den Haufen zu schmeißen und die Dominanz in zu gewinnen. Nun aber schien es weder Gewinner noch Verlierer zu geben. Es gab nur zwei, deren Bliecke sich nicht zu verlassen wagten. Es hatte irgendwie etwas von einem Kampf, wenn man die Dichte der Luft wieder betrachtete. Aber die eigentliche Essenz war ein im Kreis tanzendes Wortspiel ohne jeder Relevanz und ein ungebrochenes Verlangen in meiner Brust, dass ich mich nicht zu sättigen traute, dass aber auch an sich nicht zu sättigen war.

Wie sollte ich ihm also Antworten? Es war nur eine halbe Sekunde verstrichen und doch war es mir wie Stunden vorgekommen, in denen ich seine Motivation zu erkennen suchte. Mein Rachen war inzwischen trocken, weil mein Mund nur einen kleinen Spalt auf war, um den Duft der Anspannung noch besser aufnehmen zu können. Ich ließ meine Hände so um seine Oberarme rutschen, dass ich ihn nur ein kleines Stück näher ziehn konnte- mehr war nicht notwendig- um meinen Mund an sein Ohr zu bringen, und zu flüstern, nachdem ich meine trockenen Lippen befeuchtet hatte, mit einem strich meiner Zunge, "Da musst du dir wohl selbst etwas einfallen lassen..." Flüstern war noch zu 'laut', es war eher ein hauchen, in sein Ohr, welches mich unter normalen Umständen wohl zum lachen gebracht hätte. Ich bin halt eine Frohnatur, richtig?

Ich nutzte die Situation um tief einzuatmen, weil ich die Nähe anderer Menschen dieser Form wirklich liebte und der Duft so viel über einen verrät. Ich hatte selten wirklich ungenießbare Menschen gerochen und Jesroe war, wie auch vermutet, keiner von solchen. Meine Wangestriff seine in der Sekunde, in der ich wieder ein Stück in meinen Sessel zurück wich. Er war dennoch nicht sehr weit, nein, wirklich nah, aber ich ließ ihm dn Abstand. Es war ihm noch immer überlassen zu gehen. Ich kannte ihn so schlecht und es war genauso beunruhigend, wie es aufregend war. Ich glaube ich war noch nie einem Menschen so nah gewesen, wie jetzt, aber ihn so wenig gekannt, wie es mir Momentan bei Jes vorkam.
Mach mir doch Angst, Jes, ich warte nur darauf. Was willst du anstellen? Weißt du überhaupt noch, worum sich deine Frage überhaupt gedreht hatte, oder bedeutete nun alles was wir sagten nur noch etwas ganz anderes? Irrelevante Worte, ohne wörtlichen Sinn, nur noch das unterschwellige zählte.

Jesroe McThorn Offline

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Beiträge: 90

28.09.2006 19:50
Gewissenskrämpfe Antworten
Wie spät es war, das wusste ich nicht. Es war nach sechs gewesen, als ich die Bibliothek betreten hatte, zehn nach ungefähr. Während unseres Gespräches ist sicher eine halbe Stunde vergangen, wenn ich großzügig bin. Zwanzig vor sieben. Doch wie viel Zeit war nun vergangen? Wie lange sahen wir uns schon in die Augen, jeder fasziniert von dem was er sah, oder auch nicht sah. Glaubte zu sehen? Es konnte noch nicht allzu lange sein, da meine Muskeln noch keine Anzeichen irgendeiner Art von Ermüdung machten. Und diese Position war nun wirklich nicht zu empfehlen, zumindest meine Arme mussten irgendwann anfangen zu streiken, da schließlich ein guter Teil meines Körpergewichtes auf ihnen ruhte. Doch was machte ich mir eigentlich Gedanken darüber? Sind es Ausflüchte, damit ich nicht über das nachdenken musste, was gerade passierte? Aber – was passierte denn gerade? In der Bibliothek saßen – bzw. standen – zwei Schüler und sahen sich an. Was war daran so schlimm? Gut, man sollte vielleicht auch die Nähe der Köpfe mit einberechnen und vielleicht auch, dass es urplötzlich ein kleines bisschen wärmer geworden war. Wieder eine neue Frage – war es überhaupt wärmer geworden? Doch darüber sollte ich mir nun wirklich keine Gedanken machen, es wären sowieso nur Ausflüchte um nicht über das wirklich Wichtige dieser Situation nachdenken zu müssen.

Doch nicht nur diese Gedanken, auch die Tatsache, dass Penny ihre Hände ein wenig anders auf meine Oberarme legte, ließen mich wieder in die Realität zurück kommen. Das hieß in diesem Fall Penny. Ohne mich dagegen zu wehren ließ ich mich ein wenig nach vorne ziehen, gespannt, was mich erwarten würde. Sie flüsterte mir etwas ins Ohr, obwohl es nicht wirklich ein Flüstern war, eher war es ein kleiner Windhauch, der mein Ohr streifte und eine Gänsehaut auf meinem Rücken entstehen ließ. Unsere Wangen berührten uns kurz, als sie sich wieder zurück lehnte und ich konnte es nicht verhindern, dass ich schluckte. Doch nicht aus Angst oder aus Nervosität, sondern weil ich einfach keine Ahnung hatte, was ich nun tun sollte. Wobei schlucken dabei sicher nicht die geeignetste Lösung war. Waren meine Gedanken zuvor noch in einer Art Sumpf, in der sie zu versinken drohten, so liefen sie nun auf Hochtouren. Was sollte ich antworten? Ich hatte mir nun vorgenommen, sie zu verblüffen, doch wie sollte ich das tun? Was würde sie verblüffen? Es durfte nichts einfallsloses sein, aber meine Gedanken drehten sich einfach viel zu schnell und immer kam ich auf das gleiche Ergebnis. Normalerweise behielt ich immer einen klaren Kopf, wieso nicht jetzt? Eine Antwort. Ich brauchte unbedingt eine Antwort!

Doch was brachte es, wenn man später eine tolle Antwort hatte, aber so lange danach gesucht hatte, dass die ganze Situation schon nicht mehr so ist, wie sie es im Moment war. Bei so etwas sollte man vielleicht doch das tun, was einem zuerst in den Kopf kam, rausgehen würde es eh nicht mehr. Wieso also nicht sofort. Meine Augen hatte ich noch immer auf ihre gerichtet, während ich mich langsam weiter nach vorne beugte. Kurz bevor meine Lippen die ihren berührten glitt mein Kopf nach unten und ich küsste sie am Hals. Nur ganz sanft, fast als würde eine Feder darüber streichen. Nach einigen Augenblicken hob ich den Kopf wieder. Sagen tat ich nichts, das würde es endgültig zerstören, stattdessen lag ein fragender Glanz in meinen Augen. Hatte ich sie verblüfft? War es mir gelungen? Selbst wenn nicht – es hatte sich gelohnt. Auch war ich nicht dafür bekannt, das zu bereuen, was ich getan hatte.

Eileen Pennyfeather Offline

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28.09.2006 20:43
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Das Schaudern, dass ihn durchfuhr, als ich ihm ins Ohr hauchte, was ich zu sagen hatte, war wirklich befriedigend und die Beührung seine Wange doch ebenso. Er schien plötzlich anders, wo ich ihn praktisch in meinen Klauen gefangen hatte. Vielleicht war es der Blick, der mich ebenso fesselte, der mich jeden anderen Willens entband. Vielleicht war es dasselbe, was mit ihm geschah. Denn was plötzlich so seltsam an seiner Art war, dass er nicht mehr so schnippisch schien, allen Ärger vergessen hatte, der ihn überhaupt dazu getrieben hatte, zu mir hinüber zu kommen. Es schien so unwirklich. Ich konnte nicht ganz fassen, wie es zu dieser Situation gekommen war. Nicht, dass ich sie unangenehm fand, nur hätte ich nicht gedacht, dass harmlose Phantasien so schnell Wahrheit werden konnten. Er ließ es mit sich machen, blieb still, ging nicht davon, schlug sich nicht frei von meinem Griff, der immer fordernder wurde. Noch bevor ich meine Antwort gegeben hatte schien er noch wie eine undurchdringliche Mauer, ein unlesbares Buch. Nun aber schien sich eine Hilflosigkeit beiderseits klarzumachen, zumindest für mich.

Und wieder, als ich den Sessel in meinem Rücken spührte, nachdem ich mich zurückgelehnt hatte, und in seine Augen sah, erfasste ich seine Augen, ebenso wie er die meine, als wäre kaum etwas geschehen, bis auf dieser eben beschiebenen Hilflosigkeit. Etwas unausweichliches. Was hatte er auch erwartet, dass er mich mit seiner ersten Drohung beeindrucken konnte? War er wirklich überhaupt nicht gefasst gewesen, auf meine Reaktion? Vielleicht war ich doch nicht so transparent, wie Josh immer zu behaupten pflegte. Jes verstand mich vielleicht nicht so gut. Zumindest noch nicht. Diese Situation würde ihm wohl des besseren Lehren. Aber das waren nicht meine momentanen Hauptgedanken. Was wirklich in meinem Kopf vorging waren Fragen über Fragen, als ich gespannt darauf wartete, dass Jes mir Antwort gebe. Wirklich körperlich gespannt. Gut, angespannt passt besser. Ich bewegte mich keinen Zentimeter mehr. Ich atmete nur noch, als zeichen des Lebens. Meine Augen, meine Hände, alles andere wartete nur noch. Atemzug für Atemzug.

Und die Fragen die sich auftürmten? So numerös, dass ich sie gar nicht aufzählen mag. Lieber wollte ich sie ihm stellen. Die Rätsel, die er mir aufgegeben hatte. Aber er hatte keinen Gund auf sie einzugehen. Selbst wenn ich in diesem Moment über ihn herfallen würde- wozu ich durchaus im stande war, so nah, wie er stand- selbst dann würde er sicherlich nur schweigen. Diese Wahrheit war das einzige, was ich glaubte, über Jes erfahren zu haben, in unserem Gespräch. Ich war fast hundertprozentig davon überzeugt. Es blieb nur noch ein kleiner Zweifel, oder eher eine Hoffnung, dass ich dort falsch lag. Aber wirklich war es nichts. Nur eine Form Abzulehnen, dass diese kleine Information reichte, um meine Sinne etwas zu schärfen, von ihrer eben so starken Entschärftheit. Ich wollte zu dieser zurück, aber die Erkenntnis war zu stark, um mich in diesen betäubten Zustand zurückzuziehen.

Doch keine Zeit, um zu äußern, was in mir vorging. Hätte es ihn überhaupt irgendwie beeinflusst, wenn ich das tat? Ich glaube kaum. Ich weiß, meine Gedanken machen so lange keinen Sinn, solange ich diese 'Fragen' nicht klarer formuliere, aber wie soll ich sagen, sie sind einfach. Wer ist Jesroe Thorn? Was bringt ihn zum Ticken? Das sind so die allgemeinsten zwei, die ich aus den Massen herausfiltern konnte, die mich brennend interessierten, von denen ich aber nichts erfahren würde. So kam es mir zumindest vor. Und dieser erneute Sturz in die Sinne, wie ich ihn schon so oft durchlebt hatte, würde mir genau diesen Wunsch meinen Wissensdurst zu stillen, verneinen. Dieser Sturz würde es sein, der verhindert, dass ich vermutlich je wirklich etwas über ihn erfahren würde, wenn ich mich nicht gänzlich in seiner Natur irrte. War es dieses Opfer wert mich nun fallen zu lassen?

Er beugte sich langsam vor und es waren Millisekunden, in denen er sich näherte, die bekannten Sekunden, die einem wie in Zeitlupe gesehen vorkamen, in denen Blicke von Augen zu Lippen und zurück schlugen, ohne eine weitere Regung des Körpers, außer vielleicht des kaum merklichen aufgeregten zucken der Lippen, als die ahnten, was zu kommen wagte. Doch die Millisekunden verstrichen, ohne jede Berührung dort, nur um den sanftesten Hauch zu spühren, als er meinen Hals küsste. Das verschlug mir kurz den Atem, der einfach in der Lunge stecken geblieben war, und meine Finger zuckten an seinen Armen, doch wagten sie sich nicht so weit zu gehen als seinen Kopf festzuhalten, bevor er sich wieder zurückzog, ihr praktisch einen fragenden Blick zuwerfend. Einen Jesroe-fragenden-Blick, der für jeden anderen wohl als ganz normalen Blick gelten würde. Der Unterschied bei ihm, von Blick zu Blick, den er hatte, war so fein, dass er wohl nur für das geübte Auge, oder das, welches nur wenige Distanz von seinen hatte, sichtbar war.

Nur musste ich meine Augen wieder öffnen, weil ich sie eigentlich geschlossen hatte, als ich dachte, dass er mich küssen wollte. Und ich hatte sie nicht geöffnet, als ich gemerkt hatte, was statt dessen gekommen war. Wusstet ihr, dass so ein indirekter Kuss in vielerlei Hinsicht noch viel erschaudernder sein konnte, als die banale Attacke nach dem Mund? Nicht, dass ich mich nicht gerne küsste, nur war ein sanfter hauch in den Nacken oft ebenso effektiv, was so wenige zu schätzen wussten.
Jedenfalls hatte ich nun meine Augen geöffnet, und die Überraschung zeichnete sich in ihnen ab, trotz der halb geschlossenen Lider, die noch immer halb im Genusse schwelgten. Ich weiß er wartete, aber ich brauchte diesen Moment kurz für mich, um meine Wange kurz an meiner Schulter zu streifen, als könne das die Erinnerung frisch halten. Ich richtete mich wieder normal mit meinem Blick auf ihn und wusste nicht, was ich tun sollte.

Ich war hilflos, wie ein Fisch an Land, dessen einzige Chance zu überleben dieses Rohr war, dass ihn tiefer und tiefer führen würde, bis er am Ende durch eine öffnung ausgestoßen und wieder ins Meer geschleudert werden würde. Eine witzige Metapher, die mir nur in der objektiven, fast abgetrennten Gedankenwelt einfallen konnte. Ich konnte sie nicht in mein Bewusstsein rufen, damit ich mich mit einem Grinsen auflockern könnte. Nichts ging. Ich ringte nur nach einem Weg. War dieses Rohr, dieses Fallenlassen, dieser Weg, den ich schon so oft eingeschlagen hatte, das, was ich wirklich wollte? Natürlich. Aber was ich riskierte, meine Fragen je beantwortet zu bekommen, wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Aber das Dilemma hatte keine Zeit für Bedenken. Ich musste handeln, bevor diese Gelegenheit sich verflüchtigte, wie der Versuch einen Mondstrahl in der Hand zu halten.

Und doch blieb meine Unwissenheit seiner Person gegenüber gerade jetzt nichts im Schatten dessen, was ich wusste, was ich tun wollte. Und so beugte ich mich wieder nach langem Blickkontakt etwas vor, ihn nicht mehr ziehend, sondern eher mich hochdrückend- ich hatte ja auch meinen Beinen gesessen- und ihn treffend, mich halb auch an seinen Armen haltend. Aber es war eine solche Haltung, dass ich noch so sein konnte, ohne wirklich seinen Halt zu brauchen und nutzen. Das Halten an ihm, war nur etwas Besitzergreifendes, was ich mir nicht verkneifen konnte. Ich fuhr mir meinen Lippen sanft über seine Wange, aber nicht direkt, sondern eher halb, nur seitlich, so dass mein Atem noch wieder bis zu seinem Ohr streifen konnte. Und so anderten diese Lippen näher an seinen Mundwinkel, der zuvor ständig gezuckt hatte, mit einem spöttischen Grinsen, oder einem belustigten Lächeln, oder eomer Zornesreaktion. Zwar immer nur für Sekundenbruchteile, aber dennoch dort. Und hier ließ ich sie ruhen, nur einen Moment druck ausübend, mich dann wieder entfernend, aber nur so weit, dass ein Haar hätte zwischen meiner Nasenspitze und seiner Wange passen können. Wie gern wollte ich fragen stellen, die nun mehr brannten als zuvor. Noch nie hatte ich es gewagt jemanden zu küssen, den ich wirklich so wenig kannte, der mehr Rätsel als alles andere war, für mich. Und durch einen solchen Kuss, zerstörte ich mir auch eventuell alle Chancen...

Jesroe McThorn Offline

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28.09.2006 21:31
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Mein fragender Blick lag auf ihrem Gesicht, doch sehen konnte sie ihn vorerst nicht. Ihre Augen waren geschlossen, öffneten sich nur langsam und auch nicht ganz, als wäre sie nicht hier, sondern woanders, in einer anderen Welt. Hoffentlich gefiel ihr diese Welt, in der sie nun zu schweben schien. Zeugten geschlossene Augen nicht davon, dass man etwas genoss? Das schloss ich nun einfach daraus, was sollte es auch sonst bedeuten? Obwohl ich nicht genau sagen konnte wieso, so freute es mich doch, dass sie diesen Augenblick und vor allem meine Liebkosung genossen hatte. Ein weiteres Indiz dafür war, dass sie mit ihrer Wange an ihrer Schulter entlang fuhr. Machte man das nicht manchmal, wenn man sicher gehen wollte, ob das, was man gespürt hatte wirklich da gewesen war? Oder wenn man dort ein angenehmes Kribbeln verspürte? Was auch immer der Grund für diese Bewegung ihrerseits war, ich stufte sie auf durchaus positiv für mich ein.

Als ich ihr endlich wieder in die Augen sehen konnte, erkannte ich, dass damit wirklich nicht gerechnet hatte. Sie drückten Überraschung aus, das hieß, ich hatte die richtige Methode gefunden. Obwohl, ging es nicht ursprünglich darum, dass ich ihr Furcht beibringen wollte? Das hatte ich bis jetzt noch nicht erreicht, doch ich wollte es auch gar nicht mehr, die Überraschung reichte mir vollkommen aus, auch wenn ich ein leicht spöttisches Grinsen unterdrücken musste. Das wäre fehl am Platz gewesen und hätte die Spannung, die zwischen uns lag, zerstört.

Sie war wieder am Zug. Gespannt wartete ich darauf, wie sie das Spiel weiterführen würde. War es denn nicht ein Spiel? In indirekter Weise? Der erste spielt seinen Zug, anschließend der nächste. Wer würde bei diesem Spiel verlieren, oder würde überhaupt jemand verlieren – gab es überhaupt einen Gewinner? Das wird sich noch herausstellen, noch hat das Spiel gerade erst angefangen, die Spieler müssen erst warm werden, bevor sie den anderen Schachmatt legen können. Doch war es bei diesem Spiel schlimm, schachmatt gelegt zu werden? Wie definierte man in dieser Situation das Wort ‚schachmatt’ überhaupt? Doch eine im Moment viel wichtigere Frage war: Wieso dachte ich über solch unbedeutende Dinge nach? Das einzige, was mich nun wirklich interessierte, was diese innere Spannung auslöste, war die Erwartung. Die Erwartung, wie sie reagieren würde. Würde sie mich auch überraschen und weglaufen? Das wäre nämlich wirklich überraschend, denn das war eins der Dinge, die ich ihr nicht zutrauen würde. Etwas, was ich voll und ganz ausschließen würde. Dagegen stand allerdings, dass ich Penny nun wirklich nicht sehr gut kannte. Woher sollte ich schon wissen, wie sie in solch einer Situation reagierte?

Unsere Blicke hatten sich schon längst wieder getroffen. Fast machte es mir ein klein wenig Angst, dass ich, sobald unsere Blicke sich trafen, nicht mehr wusste, was um uns herum geschah. Da hätten alle Erstklässler zusammen stehen können, ich hätte sie sicher nicht bemerkt, so vertieft war ich in ihre Augen. Doch ich wollte auch nicht darüber nachdenken, was um uns herum geschah. Es hätte mich abgelenkt, meine Gedanken auf andere Wege geführt. In diesem Augenblick gab es so viele verschiedene Dinge, diese Atmosphäre zu zerstören, da blieb mir nichts anderes übrig, als in die dunklen Augen der Slytherin zu sehen und festzustellen, dass ich im Moment auch gar nichts anderes wollte.

Kurz darauf erhielt ich ihre Antwort. Natürlich nicht verbal, darüber waren wir schon längst hinaus. Wir verstanden uns ohne Worte. So weit wie es geht, wenn man den anderen nicht kennt. Doch es reichet aus. Wir wussten beide insgeheim, was der andere wollte, denn wollten wir nicht insgeheim dasselbe? Langsam richtete Penny sich Stück für Stück auf, kam meinem Gesicht noch näher und automatisch atmete ich flacher. Gespannt beobachtete ich sie, wie sie mir näher kam. Nur ein wenig stützte sie sich dabei an meinen Armen ab, nur ganz gering, dass man es eigentlich schon nicht mehr stützen nennen konnte. Es war anders. Als würde sie es unterbewusst machen, aber das wusste ich nicht und im Endeffekt war es auch egal, ob sie es nun absichtlich oder unabsichtlich tat. Es störte mich nicht.

Als ihre Lippen leicht über meine Wange strichen rührte ich mich nicht. Meine Augen blieben auf die Lehne des Sofas gerichtet, wo zuvor noch ihre Augen waren. An meinem Mundwinkel hielt sie schließlich an und nur dort übte sie ein wenig Druck aus. Ich war mir sicher, sie würde sich nun wieder nach hinten lehnen, warten, was ich tun würde, doch so war es nicht. Sie blieb dort, berührte mich nicht mehr, war aber nur eine furchtbar kleine Wegspanne von mir entfernt. Noch einen Augenblick wartete ich, ob etwas folgen würde, doch es kam nichts, so senkte ich leicht meinen Kopf, bis meine Lippen wieder ihren Hals fanden. Diesmal jedoch war es nicht nur ein Hauch, eine Feder, diesmal waren es viele kleine Küsse, die sich langsam einen Weg nach oben suchten...

Eileen Pennyfeather Offline

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29.09.2006 06:21
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Solche unerträglichen Pausen, die ich mir gönnte, machte ich wirklich gern. Da wir gerade über verbale Kommunikation hinaus getreten waren- außer natürlich man sagt 'verbal' bedeutet mündlich, in welchem Falle es gerade das war, was wir zur Kommunikation nutzten, nur halt ohne die Worte, die nur unnötig stören würden- gab es nur noch diese Form des Ärgerns, die meine Lippen zu einem sanften Grinsen formen ließ, dass er nicht sehen konnte, weil mein Gesicht so nah bei seinem war. Ebenso, wie mein Atem seine Ohren und seinen Hals erreichte, strich auch seiner warm über meine Wange. Ich merke wieder, wie die dezentesten Berührungen, wie sie eigentlich so gesehen schon garkeine waren, wirklich effektiv sein konnten. Zumindest spührte ich die Auswirkung, wie sie wieder über meinen Rücken lief, sich praktisch dort entlang meiner Wirbelsäule hintunterrutschend und an meiner Hüfte endete. Ich musste den Drang mich in dieser kurzen Pause zu schütteln, wegen des angenehmen Schauders, stark wiederstehen. Wie unendlich eine Sekunde doch sein konnte, um so viel in ihr zu spühren.

Und es waren nicht nur die guten Dinge, die mich in dem Augenblick zu erfassen versuchten. Sie ringten sich stark kämpfend mit meinen Zweifeln, die sich listig von hinten in meinem Kopf erneut anschlichen. Es war so schwer sie zu ignorieren, wo sie es doch waren, die diese ganzen nebligen Schauer zu nichte zu machen drohten, sie immer mal für kurze Momente verschwinden lassend, um mich zu ärgern und mir wieder zu sagen, wie ich das nicht tun sollte. Ich vermießte mir meine Chance diesen Jungen jeh zu verstehen. Aber wieso sollte ich mir darum Gedanken machen? Nur wenige Minuten zuvor, die mir nun aber wie Ewigkeiten vorkamen, war noch ein Tisch zwischen uns gewesen, und ich hatte nicht wirklich ernsthaft glauben können, dass soetwas passieren könnte. Phantasieren war ja, wie gesagt, etwas ganz anderes, als eigentliche Umsetzung. Aber es war mir sonst auch egal gewesen, unter welchen Umständen solche Dinge geschahen. Nur jetzt schien es mir absolut nicht in den Kragen zu passen. Nicht die Sache an sich, - versteht mich nicht falsch, das war es, für dass ich lebte, dagegen hatte ich nichts - nur dieses andere, diese Zweifel, die an mir nagten.

Ich hatte Jes immer schon gesehen, hatte grinsen müssen, als ich sah, wie er Leute anfuhr, wenn sie ihn beim lesen störten, konnte beobachten, wie er einfach dort saß, in seine Bücher vertieft, etwas schreibend. Es gab tatsächlich kaum jemanden, den man so vertieft in seine Arbeit sah, und das auch noch so oft. Matthew und Rachel waren so schlau und machten auch etwas für ihre Noten, aber die sah man nicht halb so oft so interessiert in ihre Arbeit, wie Jes es scheinbar immer gewesen war, als seine Feder das Pergament berührte und seine Worte darüber kratzte, schwarze Tinsenspuren hinterlassend. Ich war immer neugierig gewesen. So gut aussehend, und doch so verschlossen. Wäre er nur etwas offener, wäre er vermutlich sehr beliebt, aber dafür hatte er sich nicht entschieden. Nicht, dass er das hätte tun sollen, im Gegenteil, es war wohl diese seine Entscheidung, die meine Neugierde am meisten weckte. Wie funktionierte er und vor allem warum, dass war es, was ich nun wissen wollte, und nicht, ob er nun gut küsste oder nicht.

So viele hatte ich schon zuvor geküsst. Hatte er noch nichts davon gehört? Ich wurde an Matthew erinnert, von dem Jes auch nichts wusste. Vielleicht interessierten ihn solche 'wer hatte etwas mit wem' Gerüchte nicht und er hörte ihnen nie zu. Aber bekam man nicht manche Dinge unwillkürlich mit? Ich war nicht sicher. Ich wusste, wie einem Sachen einfach überhaupt nicht auffallen konnten, wenn man sich nicht für sie interessierte. Es gab sicherlich mittlerweile zich Leute in der Schule, bei denen ich immer wieder schwören würde, dass ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, weil ich sie halt einfach nie wirklich beachtet hatte. Ein guter vergleich. Jes wusste vielleicht nichts, diesbezüglich meiner Person. Konnte ich anders als mich ein wenig zu freuen über diese Erkenntnis? Doch, ich war erleichtert. Das war es auch, was mich entscheiden ließ, für was ich tun musste, wohl oder übel.

Oh, waren das wirklich nur wenige Sekunden gewesen, in denen ich so in meine Gedanken versunken gewesen war? Vermutlich. Jes merkte nichts von diesen Gedankenverwebungen. Er war noch in diesem Moment gefangen, in dem unsere Wangen nur wenige Millimeter voneinander entfernt daren, so dass man einenader nicht wirklich spührte, nur die Wärme hatte, um zu wissen, dass jemand anderes dort war. Er senkte seinen Kopf langsam an meinen Nacken, wo er diesesmal wirklich küsste. Kleine Küsse, die meinen Hals hinauf wanderten, wie nekende Stiche in mein Gemüt. Nicht unangenehm. Gab etwas so angenehme Stiche ins Gemüt? Jedenfalls war es so in etwa das, was ich gerade spührte. Ihr merkte wie meine Gedanken wieder etwas verrauchter und unklarer wurden, als mein eigener Atem nun etwas schwerer wurde und seinen Nacken überhauchte, wärmer noch als vorher. Meine Hände glitten ohne wirkliche Kontrolle meinerseits über seine Arme hin zu seinen Schultern, wo sie um seinen Hals geschlungen blieben, als drohe ich zu fallen, wenn ich das nicht tat. Aber war der Gegenteil nicht der Fall? Wenn ich ihn so nah an mich zog würde es nicht aufhören, würde ich ihn nicht aufhalten können, ihn wegdrücken können.

Ein innerer Kampf zwischen Trieben des Genusses und meinem Verstand brach aus, nur dass letzterem kein Weg hinaus einfiel, wie er auch Jes sanft wegschubsen könnte, ohne ihn zu verärgern. Doch es musste getan werden. Wo ich es doch endlich geschafft hatte den Entschluss zu fassen. Mein Körper tat zwar sonst immer was er wollte, sie mit den Armen, aber diesesmal zwang ihn in meinem Verstand zu gehorchen. Josh wäre stolz gewesen zu sehen, wie meine kühle Logik mal ausnahmsweise über Emotionen siegte. Oder waren es nicht auch halb die Emotionen, die mir nun aushalfen? Ganz gleich. Ich lockerte meine Arme um seinen Hals, ließ meine Hände wieder auf seine Schultern gleiten, gerade als er meinen Kinn erreicht hatte, mit seinen warmen, weichen Lippen. In diesem Moment schaffte ich es mit letzter Kraft, die es ebenso wie mein Körper wider seines Willens tat, Jes wegzudrücken. Ich sank erschöpft von einer so kleinen Bewegung zurück in den Sessel, lößte aber noch nicht meine Hände von seinen Schultern. Ich drückte ihn nicht mehr weg, hielt ihn nur praktisch bei dieser Entfernung.

Meine Brust hob und sank stärker, als ich gedacht hatte. In dieser verschwommenen Welt, aus der ich mich gerade so halb gerissen hatte merkte man soetwas nicht. Doch in der Realität bebte sie, schüttelte sie fast, vor der Aufregung, die das Herz verspührte. Für einen Augenblick waren auch hier wieder nur Atemzüge zu hören. Mein Blick war noch immer starr bei seinen Augen, ich konnte ihn noch nicht gänzlich abschneiden von dieser gerade so stark herrschenden Verbindung. Meine Augen betrachteten seine, sein Gesicht, seine Lippen, seine Augen, seine Lippen. Ein hin und her. Meine Augen zeugten von der Überraschung meiner eigenen Stärke zu tun, was ich gerade geschafft hatte. Ich gab nicht meine Lust nach, hatte mich zügeln können. Mehr als ich zuvor hätte von mir behaupten können. Mein Gesicht zeigte diese Überraschung ausgezeichnet, gemischt mit dem körperlichen Verlangen mich wieder nach vorn zu stürzen und diese weichen Lippen endlich mit meinen zu berühren. Meine Augen suchten immerzu die seine, dann wieder seine Lippen, und zurück, als könne ich es einfach nicht fassen, was der Fall war. Halb, dass überhaupt etwas passiert war, und halb, dass ich diese Chance zunichte gemacht hatte.

Wer weiß, wieviel ich heute schon hätte haben können? Aber wer weiß auch, wieviel mehr ich haben könnte, wenn ich mich nur dieses eine mal beherrschte, wo es so viele Dinge gabt, die ich mehr wollte, als einfach nur ein Kuss. Ich schluckte, als ich merkte, wie mein offener Mund kalte Luft eingezogen hatte, der meinen Hals trocknete. Ich schloss die Augen, mit einem fast geschmerzten Ausdruck, und wandte den Kopf nun ab, ihn nur noch mit der leichten Berührung meiner Hände spührtend. Ansonsten war er fast weg. Ich öffnete meine Augen wieder, ein schwaches Lächeln auf den Lippen, noch immer dieser leicht gefolterte Eindruck in den Augen. Ich wollte es und doch nicht jetzt und nicht so.
"Ist das dein Verständnis der Furcht?" Fragte ich dann, ein Lachen in meinem Halse, dass so hohl und schwer zugleich war, dass es nichteinmal wirklich ein Lachen war. Jedenfalls nicht für mich. Mein Körper zitterte noch immer. Es gab auch die Möglichkeit, dass er sich nun ganz entfernen würde, aber das Risiko lohnte sich, unter dem anderen Aspekt, dass ich es doch irgendwie noch drehen könnte. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber irgendwann...

Jesroe McThorn Offline

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29.09.2006 23:02
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Unter meinen Lippen spürte ich ihre sanfte, weiche Haut, die einen wohligen Duft verströmte. Ich könnte wohl stundenlang so weiter machen und sie einfach nur am Hals küssen. Meine Augen hatte ich geschlossen, sodass mein Tastsinn und auch mein Geruchssinn stärker gefordert waren. Es war wirklich schön ihr so nahe zu sein. Wer hätte das gedacht? Ich sicher nicht. Natürlich war sie mir aufgefallen, denn sie sah wirklich gut aus, doch so weit hatte ich nie gedacht. Doch nun waren wir hier, in der Bibliothek. Um mir schien die Welt nicht mehr wirklich zu existieren. Es war, als würde sie nur noch aus Schemen entstehen, aus riesigen Schemen, gezeugt von den großen Bücherregalen, die sich um uns auftürmten und uns beobachteten. Fast schon hatte ich vergessen, wo wir überhaupt waren, doch Penny war sicherlich ein Mädchen, die einen Jungen durchaus dazu bringen konnte, die Welt um sich herum zu vergessen.

Plötzlich schoss die Frage durch meinen Kopf, wie viele andere Jungen die Welt um sich herum schon vergessen hatten. Penny war sicher nicht die Unschuld vom Lande, doch allzu freilebig schätzte ich sie nun doch nicht ein. Dennoch fragte ich mich, wie vielen unschuldigen Kerlen sie schon den Kopf verdreht hatte. Obwohl man nun wirklich nicht behaupten konnte, dass ich unschuldig war. Weder in dem einen, noch in dem anderen Sinne dieses Wortes und ich glaube jeder versteht, was ich damit meinte. Im Endeffekt war es, wie so vieles, egal. Im Moment war ich der Junge der ihr den Hals küsste und sich langsam aber sicher ihrem Mund näherte.

Ich spürte, wie ihre Hände meine Arme weiter hinauf wanderten und sich schließlich um meinen Nacken legten. Dennoch hörte ich nicht auf, kleine Küsse auf ihren Hals zu verteilen, den ich nun langsam verließ. Doch es war nicht genug, ich wollte ihr noch näher sein, so hob ich meine rechte Hand und legte sie an ihren Kopf, seitlich hinter ihr Ohr. Obwohl ich ihren Mund so schnell wir möglich erreichen wollte, zwang ich mich dazu, langsam nach dort zu wandern. Ich zwang mich, jeden einzelnen Kuss, jede kleine Berührung zu genießen. Wir hatten Zeit, viel Zeit.

Ich hielt erschrocken inne, als ich merkte, wie ihr Arme wieder zu ihrer ursprünglichen Position zurück wanderten und Penny mich von sich schob, um sich zurückzulehnen. Verwirrt ließ ich meine Hand sinken und sah sie fragend an. Was war los? Ging es ihr zu schnell? Oder – die allzu bekannte Frage, die sich wohl so ziemlich jeder Junge in dieser Situation stellen würde – war ich ihr nicht gut genug? Diese Fragen lagen in meinem Blick, doch schon bald verschwanden sie hinter einer Mauer von Ausdruckslosigkeit. Würde ich sie weiterhin so erschrocken anstarren, so war ich verletzlich, so jedoch, hinter meiner sicheren Mauer, konnte mir niemand etwas antun.

Penny atmete schwer, blickte mir wieder in die Augen. Doch sie würde diesmal nichts erkennen, vielleicht ein wenig Verwirrtheit, den ja, ich war verwirrt. Sehr sogar. Eben noch hatte sie nichts gegen meine Liebkosungen unternommen, nein, es schien ihr sogar sehr zu gefallen und auf einmal wollte sie nicht mehr? War das ihr Humor? Ihre Art, dieses Spiel zu spielen? Ihre Art, mich schachmatt zu legen? Darauf konnte ich nun wirklich verzichten. Ich war schon kurz davor, mich einfach aufzurichten und zu gehen, doch ich wollte Antworten. Antworten auf die Fragen, die sich in meinem Kopf sammelten. Und es waren weiß Gott nicht wenige. Doch ich stellte die Fragen noch nicht, beobachtete Penny dabei, wie ihre Augen immer wieder zu meinen Lippen glitten. Na, hast du es schon bereut dich mir zu entziehen? Die Gedanken waren bitter. Ich war verletzt, sehr tief verletzt und das kam nicht oft vor. So hatte ich mir meinen zweiten Tag in dem neuen Schuljahr wahrhaftig nicht vorgestellt.

Doch meine Gedanken wurde wieder ein wenig freundlicher, als ich ihren fast schmerzhaften Gesichtsausdruck sah, mit dem sie sich nun mit geschlossenen Augen von mir abwandte. Wie sollte ich das nun wieder verstehen? Es tat ihr wohl leid, doch wieso? Sie wollte es und ich wollte es, wieso zog sie sich dann zurück? Musste ich das jetzt verstehen? Wahrscheinlich hatte sie eine wirklich gute Antwort auf diese Frage, doch ich kam nicht auf sie. Doch vielleicht würde sie mir diese früher oder später verraten.

Penny öffnete ihre Augen wieder und nun lag eindeutig ein schmerzvoller Ausdruck, der nicht zu ihrem schwachen Lächeln passte. "Ist das dein Verständnis der Furcht?" Immer noch sah ich sie ausdruckslos an. Mein Verständnis der Furcht? Waren wir darüber nicht längst hinaus? Oder war es ihr Weg aus diese beklemmenden Situation? Wieder Fragen über Fragen. Konnte man sich bei diese Frau denn nur Fragen stellen, die einen fast zur Verzweiflung trieben? Anscheinend ging es nicht anders. “Furcht kann man auf viele verschiedene Arten empfinden“, antwortete ich nur, keinerlei Gefühle in meiner Stimme. Wie gesagt, sie hatte mich verletzt, da war wohl kaum zu erwarten, dass ich nett zu ihr war oder ihr zeigte, dass ich durchaus verstand, wieso sie so gehandelt hatte, denn das wäre eine Lüge gewesen, da ich sie absolut nicht verstand. Aber wer weiß, vielleicht konnte ich ihre Gedankengänge auch gar nicht verfolgen, weil solche Gedankengänge nur dem weiblichen Geschlecht erlaubt waren, schließlich war durchaus bekannt, dass sie dazu neigten immer ein wenig komplizierte zu denken als das männliche Geschlecht, zu dem ich zählte.

Eileen Pennyfeather Offline

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01.10.2006 07:29
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Ich muss zugeben, dass es mich überraschte, dass er nicht einfach abhaute. Er war wiohl nicht so stolz, wie ich es an seiner Stelle gewesen wäre. Wäre irgendeine Flüssigkeit in Reichweite, hätte ich sie dem wohl ins Gesicht geschleudert, der wagen würde, mich aus so einer Extase zu reissen. Dann wäre ich von dannen gegangen und hätte mich vermutlich gleich an Rache und Charly gewandt, um eine grausame, geradezu schreckliche Rache zu planen. Doch nun war ich es nicht, die zurückgewiesen worden war, sondern er, Jes, und ich war es, die ihn zurückgewiesen hatte, obgleich ich wusste, wie unfair und verletztend das war. Und es war das, was ich einfach wusste, was er empfand. Jede Mauer, jede Versteinerung seiner Züge, ich wusste, was es war, das in ihm vorging. Ganz gleich wie kühl und berechnend er sonst wirkte, dass ihn das kalt ließ glaubte ich nicht. Die erstige Verwirrung seines Blickes, bevor er suchte alles zu verstecken, war genug um es mir zu sagen. Es gab vielleicht Menschen, die sich tatsächlich sich einfach hätten rausreissen lassen aus so einer Situation, ohne mit Narben davonzukommen, doch sie waren selten, wenn es sie überhaupt gab. Ich wusste, dass selbst Matthew wohl zickig werden würde, wenn ihm soetwas passierte. Oder wohl gerade er, weil sein Stolz und Ego nunmal massiv waren. Kein Mädchen sollte ihn zurückweisen. Aber so egozentrisch schätzte ich Jes nicht ein. Aber diese Menschlichkeit war es, die ich ihm durchaus zuschrieb.

So, ich hatte mich rausgeholt, saß nun vor ihm, alle Wärme war fort und wurde ersetzt von der Realität, die Kälte war. Es war kalt und nun schien es so abwegig, dass es mir je hätte so warm vorkommen können, wie es eben gewesen war, wobei doch noch immer diese eisige Briese durch den Raum zog. Woher war diese Wärme gekommen? Ihre überreste verflogen, als mein schweres Atmen stetig normaler wurde, mein Körper langsam aufhörte von der Aufregung zu zittern und statt dessen wegen der Gänsehaut zitterte, die der kühle Wind auslößte. Nun, um mich nicht falsch auszudrücken: Ich war noch immer aufgeregt, aber es war nun anders. Die Aufregung war gefiltert worden und nun blieb nur noch eine andere Aufregung, als die von zuvor. Zuvor war es das Verlangen gewesen, sich an ihn zu drücken, ihn zu küssen, ihn zu spühren. Diese Lust war weg, obgleich ich sie wohl jeder Zeit hätte wieder hervorrufen können. Aber das war es ja, was ich jetzt nicht wollte. Das war nur das sichere Rezept sich wieder selbst in den Abrung zu stürzen. Ich erinnerte mich an das letzte Jahr und die ganzen Depressionen, die aus solchen Dummheiten resultiert hatten. Ich hasste Reue und doch stürzte ich mich so oft in Dinge, die sie hervorriefen.

Als ich mich zu ihm zurück gewandt hatte mit meinem Gesicht, meine Frage stellend, die wirklich nur dich Absicht hatte, irgendetwas gesagt zu haben. Ich wusste nicht, wie ich mich aus dieser Situation retten würde. Besonders nicht, wenn er nicht wegging, von sich, sondern so stehen blieb, vor mir, so dass ich seine Schultern noch immer unter meinen Fingern spühren konnte. Es half wirklich nicht, dass ich die Wärme seiner Haut als einzige Quelle irgendeiner Wärme hatte. Wenn er das wüsste, wäre er vielleicht nicht so stehengeblieben, schließlich zweifelte ich daran, dass er mir jetzt irgendeine Wärme geben wollte. Aber trotzdem, dass es mich halb ärgerte, dass er so stehen blieb und mich in eine verlegene Lage brachte, war ich auch etwas froh. Es zeigte mir nur, dass es ihm nicht egal war. Er wollte wissen, wieso ich das getan hatte. Wieso sonst würde er sich noch die Mühe machen hierzubleiben? Es gäbe wohl keinen Grund dazu, wenn er sich wirklich nicht anhören wollte, was ich zu meiner Verteidigung zu sagen hatte. Oder hoffte er vielleicht nur, dass ich meine Meinung doch noch ändern würde? Ich hoffte innig, dass dies nicht der Fall war.

Seine Antwort war monoton und gefühllos, aber nicht ganz wie seine vorherige Gefühllosigkeit als er gesprochen hatte. Diese Leere der Emotionen in seinen Worten war für mich eher eine strafende Leere. Eine Anschuldigung. Was war mir auch eingefallen, ihn mich küssen zu lassen, ohn zu küssen, wenn ich dann nur so dreist war ihn wieder wegzudrücken? Ich verdiente es wohl. Dennoch zuckte meine Miene leicht verletzt, als ich diesen Ton, oder auch Nichtton seiner Stimme hörte. Es war ähnlich wie das Zucken, dass man machte, wenn man einer Fliege auswich, die einem vors Gesicht geflogen war, oder soetwas. Ein kurzes zurückwichen, nur um sich schnell wieder zu fassen, als wolle man so tun, als wäre nichts passiert. Nur sehr klein und kaum zu merken, nur dass Jes sehr nah war und es deshalb wohl kaum hätte übersehen können. Ich machte mir keine Mühe es groß zu verbergen, denn er wollte antworten. Mein Problem lag nur darin, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich das anstellen sollte, ihm die Antworten zu liefern. Ich schluckte wieder. Wieso war mein Hals nur die ganze Zeit so trocken? Ich räusperte mich leicht, erlaubte mir nicht den Luxus seinem starren Blick auszuweichen, was ich mittlerweile wirklich wollte. Meine Arme konnte ich aber nicht bewegen.

Ich regte mich nun innerlich über die eigentlichen Worte seiner Antwort leicht auf. Wieso konnte er nicht einfach wirklich sagen, was er dachte? Er sollte endlich sprechen und nicht immer so schweigsam sein! Er hatte sich das jetzt selbst zuzuschreiben. Wow, wie einfach es doch war mir selbst das Gewissen zu reinigen. Ja, es war doch seine Schuld. Er hatte angefangen, einfach so. Wieso war er denn erst rübergekommen? Sicherlich hatte er sich da schon irgendetwas bei gedacht. Er hatte angefangen sich an mir zu vergehen. Verdammt, ich bin die Unschuldige und doch bin ich nun in dieser verfluchten Lage, ich musste sprechen, musste Antworten, wo er es doch war, der so an dieser bescheuerten Eigenschaft hing, immer schweigsam zu sein. Wie hatte ich das je anziehend finden können? Nun wollte ich nur noch, dass er sprach und sprach, bis meine Fragen mal beantwortet waren.
Und doch war ich nicht besser. Ich konnte nichts sagen, von dem, was ich dachte. Wie sollte ich das denn auch formulieren? Was für ein Dilemma. Aber ich könnte ihn doch nicht gehen lassen, ohne, dass ich ihm irgendeinen Hinweis darauf gab, wieso ich gehandelt hatte, wie ich gehandelt hatte. Ach verdammt, die Schuld auf ihn zu schieben funktionierte nicht. Ich spührte sie doch auf meinen Schultern. Ich konnte mich nicht selbst belügen.

"Wenn du Fragen hast, dann stell sie doch!" Platzte es dann endlich aus mir heraus. Ich redete in normaler Redelautstärke, was mir aber nun unnatürlich laut vorkam, weil ich zuvor die ganze Zeit nur gefküstert hatte. Ich barg diese Frage den Ton aufgestauter Wut. Wieso wusste ich so wenig? Wieso wollte ich überhaupt wissen? Vielleicht war ja garnichts an ihm dran, und er war wirklich nur dafür zu gebrauchen? Und doch wollte ich mich dessen vergewissern, wollte nicht riskieren, dass er vielleicht doch interessanter war. Ich hatte nun Angst, dass er offener mit seiner Wut umgehen würde, und bereute wieder, dass ich so gesprochen hatte. Aber es war fast automatisch. Ich war froh, dass ich nicht so viel nachdachte jetzt, über das, was ich sagen wollte. Es kam einfach aus mir heraus, ganz gleich wie ich sie bereute, wenigstens war es nicht mehr so verdammt still, "Ansonsten sollten wir lieber vergessen, dass irgendetwas..." Schnell verschwand meine Stimme in der Erinnerung seiner Küsse, als eine Hand unwillkürlich an meinen Hals glitt, um die Stellen zu berühren. Meine Miene wurde für eine Sekunde traurig, bevor ich das unter Verschluss brachte, und weiter sprach, "...dass irgendetwas passiert ist." Wieso war ich nun wütend? Vielleicht war dies mein Weg ihn zu vertreiben. Wenn ich wütend war, würde er sich nicht gefallen lassen, und gehen. Was sein gutes recht war. Ich versuchte ihn mit meiner anderen Hand, die noch immer an seiner Schulter ruhte, leicht zu drücken, als wolle ich ihm nachhelfen, sich dafür zu entscheiden, zu gehen, und mich verrückte Schrulle allein zu lassen. Wenigstens würde ich dann Zeit haben alleine und in Ruhe nachzudenken. Ich wusste nicht anders aus dieser Situation heraus.

Jesroe McThorn Offline

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04.10.2006 18:02
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Zuerst war es mir ein wenig schwer gefallen, meine Gefühle nicht nach Außen dringen zu lassen, doch mit der Zeit wurde es immer leichter. Es war, als würde das Ausdruck meines Gesichts sich in meiner Seele spiegeln. Als würde die ganze Ausdruckslosigkeit, die sich darin fand, in mein Innerstes übergehen, bis es sich anfühlte, als würde ich nichts mehr fühlen. Es hatte weh getan. Doch so etwas tat immer weh. Was war der Lieblingsspruch meines Vaters gewesen? Was mich nicht tötet, das macht mich stärker. Dies hatte mich nicht umgebracht, nein, es hatte mich stärker gemacht. Ich war über meine eigenen Füße gestolpert, jetzt wusste ich, wo ich nicht mehr herlaufen sollte. Aus Fehlern lernt man – vor allem aus seinen eigenen.

Mein Blick bohrte sich in den ihren. Suchten dort nach einer Antwort, nach einer Kleinigkeit, die mir verriet, was schief gelaufen war. Ob überhaupt etwas schief gelaufen war. Es konnte schließlich ein ganz plausibler Grund sein. Vielleicht hatte sie einen Freund und wurde zuerst einfach von der Leidenschaft, die sich eindeutig in diesem Raum ausgebreitet hatte, mitgerissen, konnte ihr gerade noch entfliehen. Das wäre für mich ein guter Grund. Ich mochte keine Mädchen, die nicht treu waren, genauso wie ich es nicht mochte, wenn die männliche Hälfte eines Paares fremdging. Vielleicht sah ich das zu eng, viele sahen das mit Sicherheit lockerer, doch für mich war es nun einmal so. Meine Ex-Freundin hatte ich auch nicht wirklich geliebt, ich hatte sie nur sehr gerne gehabt, dennoch bin ich ihr nie fremdgegangen.
Aber vielleicht hatte Pennys Verhalten auch einen anderen Grund. Mit wem saß sie noch mal immer zusammen? Rachel und Charline. Also Rachel. Vielleicht war die Schönheit vor mir eine tolle Schauspielerin und tat jetzt auf kleines verletztes Mädchen, bevor sie Rachel später mit hellem Lachen erzählen würde, wie sie es geschafft hatte den stillen undurchdringlichen Jungen zu verletzten und ihn aus der Reserve zu locken. Beide Möglichkeiten schienen mir jedoch ein wenig unangebracht, doch wer wusste schon, was in ihr vorging? Ich sicher nicht.

Ihre nächsten Worte sprach sie wieder laut. Was heißt laut – in normaler Lautstärke. Doch es hörte sich laut an, da meine Ohren sich längst an das leise Flüstern gewohnt hatten, welches wir zuvor benutzt hatten. Wäre mein kalter Schutzschild nicht schon so weit in mein Innerstes gekrochen, so wäre ich vielleicht sogar ein wenig zusammengezuckt, doch nun bewegten sich nur kurz meine Augenbrauen, kaum merklich, nur ein wenig.
Fragen? Wo waren sie hin? War mein Kopf nicht vor einem Augenblick noch voll von ihnen gewesen, sodass er fast übergelaufen wäre? Sie waren immer noch da, doch es waren zu viele, um sie wirklich fassen zu können. Immer wieder kam mir eine andere in den Sinn, die ich jedoch wieder verwarf, da ich dadurch nicht alles erfahren würde und ich wollte auch nicht eine Frage nach der anderen stellen. Wer war ich denn? Also stellte ich nur eine, die genau genommen sogar alle Fragen mit einschloss. “Warum?“ Das war sie, die Frage. Ein kleines Wörtchen mit einem Satzzeichen dahinter. Eine kleine Frage, die alle Fragen enthielt, die mir zur Zeit durch den Kopf gingen – und das waren viele.

"Ansonsten sollten wir lieber vergessen, dass irgendetwas..." Ihr Hand schnellte zu ihrem Hals und ein trauriger Ausdruck war für einen sehr kleinen Moment auf ihrem Gesicht zu erkennen. Doch darauf reagierte ich nicht. Was sollte ich auch tun? Ihr sagen, dass alles in Ordnung war? Nein, ich mochte keine Lügen. Auch keine Halbwahrheiten, was ja in gewissem Sinne auch eine Lüge wäre. "...dass irgendetwas passiert ist." Da war er, der Lieblingsspruch aller Mädchen, die einmal in solch eine Situation gerieten. Wieso vergessen wir das nicht einfach? Ist doch nichts passiert. Keiner hat was mitbekommen. Ist doch nicht so schwer. Weißt du eigentlich wie verletzend so etwas ist? Nein, diese Frage sprach ich nicht aus. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie sich zumindest denken konnte, wie weh so etwas tat. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob sie darüber nachdachte.

Auch ohne den Druck ihrer Hand, der mich eindeutig zum Gehen drängen wollte, hätte ich mich nun aufgerichtet. Ein kurzes Funkeln der Belustigung schlich sich in meine Augen, als ich bemerkte, dass ich nun wirklich drohend vor ihr stand. Sie saß immer noch in dem Sessel und ich war nicht gerade klein wie ich so davor stand und zu ihr hinunter sah. Doch die Belustigung verschwand so schnell wie sie gekommen war und ein wenig Spott ersetzte sie. Spott half einem immer, wenn man verletzt war. Und ich war gut darin, meine Worte richtig zu formen und sie, wenn ich wollte, auch richtig zu betonen, so legte ich auch eine besondere Betonung auf meine nächsten Worte, so dass sie nicht mehr so klangen, wie sie klingen würden, würde ich das damit sagen wollen, was sie bedeuteten. “Gut, vergessen wir das ganze.“ Da fehlte noch etwas – und ich wusste sofort, was es war. “Mit ist es egal.“ Sie würde schon wissen, dass mit alles andere als egal war, doch war sie es nicht gewesen, die meinte, dass diese Worte zu mir passten?

Eileen Pennyfeather Offline

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04.10.2006 20:12
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Warum. Warum. Was gab es denn auch sonst zu fragen, außer das? Wohl kaum irgendetwas. Man musste doch auch eigentlich nicht mehr als diese Frage beantworten, um alles Nichtgesagte endlich zu sagen. Und, Herr Gott, wie befreiend es doch gewesen wäre, genau das zu tun. Aber, was soll ich sagen, Menschen, nein, ich, war nich so einfach. Ich konnte mich nicht dazu bringen, so einfach alles zu sagen, was mir zu Kopfe gekommen war, als ich entschieden hatte, das lieber schleunigst abzubrechen, bevor alles außer Kontrolle geriet. Ich hatte es satt. Es war nämlich immer wieder genau so. Gut, nicht, dass ich es nicht oft auch nur als soetwas anvisierte, aber mit jemandem, den ich so wenig kannt, von dem ich so wenig wusste, konnte ich das doch nicht machen. Ich war ja eigentlich nicht die, die es riskierte, eine Herzensbrecherin zu sein. Das war nicht mein Stil. Wenn ich etwas tat, was für mich bedeutungslos sein würde, so würde ich auch vorher sicher machen, dass es für die andere Person ebenso war. Ich machte es nicht wie Matthew, der sich selbst diente, und niemandem sonst. Selbst wenn es auch egoistische Gründe bei mir hatte. Ich wollte ja auch nicht, dass ich gestalked werde, oder dass mir eine verblödet nachheult. Bevor das passierte war ich lieber die Horrobraut, die gehasst wird.

So oder so, ich kannte Jes kaum. Wusste er das nicht selbst? Oder war es ihm egal, weil er sich nichts dabei dachte und glaubte mich so gut zu kennen, als dass er behaupten könne, dass es auch mir nichts bedeutete. Was für ein bescheuert verzwickter Gedankenstrang, ich weiß. Bescheuert. Ich glaube, dass ist richtig typisch Frau, so verdammt viel zu denken. Halb beneidete ich Jes' unermüdliche Fähigkeit alle Emotionen auszublenden, als fühle er wirklich nichts. Und zur anderen Hälfte machte es mich nur immer rasender, dass er nicht endlich, statt nur zu sagen, was er wissen wollte, auch zu zeigen, dass er wissen wollte. Sein 'Warum' war wie ein Stein, der mir an den Kopf geschmissen wurde. Wie sollte ich darauf antworten? Ich wollte am liebsten einen Eindruck hinterlassen, ohne, dass er direkt wissen würde, was wirklich die Antwort auf sein Warum war. Ich hatte keine Ahnung, ob er der Mensch war, der sich irgendwie ins Gewissen reden ließ, ob er sich überhaupt genug interessieren würde, um darüber nachzudenken, aber einen Versuch war es wohl wert. Würde mich auch nichts kosten. Würde er irgendwie versuchen meine Worte bei den anderen gegen mich zu verwenden, so wusste ich ihr Vertrauen in jedem Falle mehr zu haben als er. Das war wenigstens etwas erleichternd, um zu sprechen. Ich musste mir diesbezüglich keine Gedanken machen. Aber die machte ich mir auch nicht wirklich, so schäzte ich ihn auch nicht ein.

"Ich bin nicht mehr für One-Night-Stands zu haben." Antwortete ich nun also plump. Einfach nur plump. Als würde ich den Stein, den er mir an den Kopf geworfen hat, mit ebensoviel schmackis zurückschleudern. Nicht wirklich emotional, obgleich ich es in mir fühlte, nur eher so banal, dass man den Sinn nicht verfehlen konnte. Und nun wollte ich wirklich, dass er ging, was sich ja auch erfüllte, als er auf meine zweiten Worte einginge, dass er auch meinte, wir sollten das vergessen. Meine Augen wurden schmaler. Das irritierte mich wieder. Ich wusste doch, dass es ihm nicht egal ist. Nun aber stand er vor mir, groß, mich in seinen Schatten tauchend, so dass ich nicht anders konnte, als hinauf zu sehen, um sein Gesicht zu erfassen. Geschickt angestellt, dass musste ich gedanklich zugeben. Es war ihm egal. Wie eine Kirsche auf der Sahnehaube. Fast unvermeidlich. Ich konnte mir das zuckende Grinsen nicht verkneifen, dass aber gleich wieder verschwand, als ich den Mut fasste wirklich zu sagen, welches Wort mir auf der Zunge lag, "Lügner. Aber entscheide doch zu glauben, was du willst." Und ein Whole in one, meine Damen und Herren. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte an Jes vorbei. Ich war bereit alleingelassen zu werden. Sicherlich würde er jetzt nicht mehr bleiben wollen. Es war mir recht. Ich hatte das Gefühl, dass ich mir den Weg doch ein wenig freigeschaufelt hatte, auch wenn manche Elemente wohl doch eher den Weg versperrten, nun, nach diesen Worten. Als ob er mit mir reden würde, mir Recht geben würde. Ich wusste es, er wusste es, aber es hinderte einen nie etwas daran wenigstens nach außen hin zu leugnen. So konnte man sich aus peinlichen Stillen retten.

Jesroe McThorn Offline

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06.10.2006 22:54
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Da stand ich nun also groß vor ihr. Um ehrlich zu sein, gab mir das ein besseres Gefühl. Das Gefühl über allem zu stehen, vor allem über ihr. Das waren vielleicht lächerliche Gedanken, aber es war so. Die Größe konnte oft das Selbstbewusstsein fördert – oder eben nicht, das kam dann wohl auf die Körpergröße des Einzelnen an. Da ich aber über eine recht gute Körpergröße verfügte und Penny dazu auch noch saß, befand sich mein Kopf recht weit über dem ihren. Ein gutes Gefühl, um es noch einmal zu betonen.

Die Frage ‚Warum?’ war wirklich gut gestellt, wie mir nun wirklich bewusst auffiel. Natürlich konnte sie nun auf stur stellen und mit einem einfachen ‚Darum’ antworten, was man wohl immer in Notsituationen nutzte. Doch würde sie diese Frage gescheit beantworten, so benötigte sie dazu mehr als ein Wort und das wäre schon eine recht gute Ausbeute, da ich mir sicher war, dass jeder so einer Situation entfliehen wollte und dementsprechend auch wenig Fragen beantworten wollte. Wobei ein einziges Fragewort wohl als ‚wenige Fragen’ ausgelegt werden konnte, welches allerdings eine längere Antwort hinter sich herzog – zumindest im Normalfall.

Doch als sie dann endlich antwortete war die Antwort weder ein einfaches ‚darum’ noch ein ellenlanger Vortrag über ihre Gefühle. Langsam nickte ich. Das konnte ich verstehen, es war ein durchaus plausibler Grund. Allerdings war das ‚nicht mehr’ in diesem Satz auch Grund für mich, eine Augenbraue zu heben. Also war sie es mal gewesen. Schlechte Erfahrungen gemacht? Wahrscheinlich. Mit One-Night-Stands machte man wohl meistens schlechte Erfahrungen. Wobei ich das nicht beurteilen konnte, da ich noch nie einen hatte. Bei diesem Gedanken fiel mir dann ein, dass ich eben noch keine Probleme damit gehabt hatte. Doch bei näherem Hinsehen und beim Abwägen der Pro- und Contraargumente kam ich dann doch zu dem Entschluss, dass eine feste Bindung eine bessere Voraussetzung für Sex war als nur Verlangen, das am nächsten Tag wieder verschwunden war. Penny hatte durchaus recht und ich nickte dementsprechend noch einmal, was sicherlich behämmert ausgesehen hatte, da sie ja keine Ahnung hatte, was in meinem Kopf vorgegangen war. Doch es war mir gleich, schließlich waren es meine Gedanken und nicht ihre, also sollte sie sich auch keinen Kopf darüber machen.

Bei meinen nächsten Worten zuckte ein kurzes Grinsen über ihre Lippen. Hatte sie meinen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden? Denn schließlich war es eigentlich nicht wirklich zu übersehen, wenn jemand mit einem Zaunpfahl winkte – das ganze einmal bildlich betrachtet. Nun wurde ich auch noch ‚Lügner’ genannt. Wobei sie da ja nicht Unrecht hatte, schließlich war es nicht die Wahrheit gewesen, allerdings auch keine wirkliche Lüge, da man die Unwahrheit der Worte anhand der Ironie sehr gut erkennen konnte. Glauben was ich wollte? Tat ich das nicht immer?

Nach ihren Worten verschränkte sie trotzig die Arme vor der Brust und starrte so eindeutig an mir vorbei, dass mir förmlich keine andere Wahl blieb, als zu gehen. Aber wieso sollte ich hier noch länger bleiben? Ich wollte immer noch in mein Tagebuch schreiben. Langsam drehte ich mich zum Tisch und nahm das kleine Büchlein, wie auch meine Feder, zu Hand und trat an ihr vorbei. Gerade als ich hinter ihrem Sessel war blieb ich noch einmal stehen. “Wir sehen uns morgen im Unterricht.“ Was das jetzt sollte? Keine Ahnung. Irgendwie hatte ich das dringende Bedürfnis gehabt noch etwas zu sagen und das war leider das einzige, was mir eingefallen war. Anschließend verließ ich die Bibliothek und schritt den Gang entlang, innerlich auf der Suche nach einem Ort, der ruhig genug war um meinem kleinen Freund meine Erlebnisse des heutigen Tages mitzuteilen.

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Eileen Pennyfeather Offline

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09.10.2006 07:25
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Meine Antwort ließ Jes nicht überraschander Weise eine Augenbraue heben. Ich hatte nichts mehr zu antworten, wenn er nichts besseres zu 'sagen' hatte. Ich wusste ja, was das bedeutete. Seine Augenbraue. Sie spielte nur auf das 'nicht mehr' an. Was soll ich sagen. Ich wusst ja nun mittlerweile, dass er nichts um diese Geschichten von mir wusste. Es hatte mich auch erleichtert, als ich das gemerkt hatte, aber dies war nun mein erster Schritt. Auch wenn er es eventuell nicht verstand, ich sagte etwas über mich, was ich wohl kaum einem erzählt hätte, der es nicht wusste, und mit dem ich mal ebenso eine schnelle Nummer drehen wollte. Das wäre bei so eine Art Kerl eigentlich ideal, wenn er nicht wusste, was ich manchmal mit anderen Kerlen trieb. Wenn sie sich nicht besonders vorkamen war es nur halb so lustig. Aber ich verriet Jes nun etwas, und er wusste, was es bedeutete, dieses 'nicht mehr'. Auch wenn er, wie schon gesagt, nicht ahnte, warum ich soetwas tun sollte. Ich schwärzte damit ja in gewisser Weise meinen eigenen Ruf. Sowas machten Mädchen doch eigentlich nicht. Ich fragte mich innerlich, ob er das verstand. Obwohl meine Aussage an sich ja Begründung für meinen Rückzug war, war sie ja auch eine Andeutung auf etwas ganz anderes. Er nahm meine Begründung allein mit dieser Augenbraue hin und ich konnte seine Gedanken nicht lesen. Ich wunderte mich wirklich, wie viel er von der Psyche wusste. Es war eine Zumutung anzunehmen, dass er diese Zeichen verstehen musste, aber ich war neugierig, in wie weit er tatsächlich verstand.

Meine 'Einladung' zum Gehen hatte ihm wirklich nicht viel eine Möglichkeit gegeben selbst zu entscheiden, aber ich war auch froh. Er holte sich sein Tagebuch und die Feder und ging an mir vorbei. Dieser Moment war sehr verlockend, um aufzuspringen und seinen Arm noch zu ergreifen, bevor er die Chance hatte abzuhauen. Aber ich beherrschte mich mit aller Macht. Ich hielt mich am Fleck, zog mich mit allen Instinkten weg, statt mich dem hinzgeben. Es war ein unglaublicher Test der Selbstbeherrschung, den ich aber bestand, bis ich spührte, wie er nur wenig hinter mir stehen blieb- oder eher hörte, weil seine Schritte plötzlich verstummten- und meinte, dass wir uns morgen im Unterricht sehen. Ein Grinsen brach nun wieder über meine Lippen. Mein Blick war starr nach vorn gerichtet, weil meine Ohren nun die wichtigeren Sinnesorgane waren, und ich hörte nach einer kurzen Pause, wie seine Schritt sich langsam wieder in Gang setzten und er sich immer weiter entfernten. Bevor sie zu weit weg waren wandte ich mich ein letztes Mal um und antwortete laut genug, dass er es hören würde, obgleich er schon um die ersten Regale verschwunden war: "Ja, bis morgen"

Dann ließ ich mich wieder in den Sessel fallen, mit einem tiefen seufzer, und setzte mich weit hinein, die Beine an den Körper ziehend und die Augen schließend. Was für ein aufregender Anfang fürs Jahr. Ich versprach mir nichts baldiges daraus, aber doch, es war wie eine Aufgabe. Er sah immerhin verdammt gut aus, war intelligent und für mein Wissen auch witzig und charmant. Wer weiß... Ich ließ mein Bewusstein meinen Hals entlang gleiten, wo ich versuchte diese warmen Lippen wieder zu spühren, aber das klappte nur halb, weil sie auch davon enttäuscht waren, nicht mehr bekommen zu haben. Vor allem in meinen Lippen jukte es, weil sie sich so nach diesem Kuss gesehent hatten, in der Höhe des Augenblicks. Wie enttäuscht sie doch waren, und ungesättigt, nur kurz seine Wangen berührt zu haben. Es war alles an sich so klein gewesen, dass es fast nichts war, nur dass es noch viel mehr gewesen war, als so einiges andere, was mir passiert ist, in der Vergangenheit. Eine merkwürdige Sache. Ich fuhr mit mir der Hand über den Nacken und reckte mich in alle Richtungen.

Ich setzte mich wieder ordentlich auf den Stuhl und ließ die Finger über das Pergament meiner Annonce gleiten. Ich nahm die Worte in mir auf, buchstabierte sie im Kopf aus, und plötzlich traf mich ein Gedanke. Es erstaunte mich völlig, dass es mir nicht vorher eingefallen war. Ja, er war doch so eindeutig, dass es geradezu wahnsinnig erschien, dass ich nich darauf gekommen bin, gleich als er sich gesetzt hatte, so mit Buch in der Hand und allem. Ich meine, es lag doch auf der Hand. Es formte sich wie eine innere Mission in meinem Kopf, ein Kriegsplan, zwei Fliegen mit einer Klappe! Ich war plötzlich völlig aufgeregt. Ich holte den Kasten aus meiner Tasche- ein langer, dünner, hölzerner Kasten- und holte den Korkpropfen daraus. Den stopfte ich in den Rachen des Tintenflaschenhalses und legte das Glas in den Kasten. Auch die Feder kam da rein. Aus dem Kasten entfernte ich ein Stempel, den ich mit Hilfe eines kleinen Zaubers von Wachs bedeckte. Das Pergament wurde aufgerollt und versiegelt und alles wurde zusammengepackt in die Tasche gestopft.

Ich richtete mich aus dem Stuhl auf, strich mir über den Umhang und die ganze Kleidung, um sie zu entknittern, machte mir die Haare wieder neu zu einem Dutt und fühlte mich bereit. Ich machte die Haare aber möglichst langsam und sorgfältig, damit ich sicher sein konnte Jes nich noch auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum zu treffen. Auch malte ich mir einen kleinen Umweg aus, den ich nehmen würde, um doppelt abzusichern. Die Tasche wurde um die Schulter geschlungen und der Entschluss stand in meinem Kopf so fest wie nichts zweites. Ich würde Jes davon überzeugen mein Nachhilfelehrer zu werden! Ich hatte das so fest entschlossen, dass ich die Annonce auch nicht mehr aufhängen würde. Im Gegenteil, ich würde sie ersteinmal in meinen Sachen verstauen, damit niemand sie fand, und würde sie eventuell verbrennen. Jes war schlau, wieso war ich nicht gleich darauf gekommen? Er war in jedem Fach gut. Und mit einem Gefühl der Bestimmung schritt ich durch die Bibliothek fort. Ich würde das schon schaffen, und wenn es dauern würde. Das war ja nicht so schlimm, alles war eine Herausforderung, manche kleine, andere größer. Ich hatte so eine Ahnung, dass das doch einige Überzeugungskraft kosten würde.

Gehe nach: Kommunikation der etwas anderen Art

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