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Komme von: Arbeit am Abend
Eigentlich waren Nächte dafür da, dass man sie nutze, um seinen Körper und seinen Geist ruhen zu lassen, damit man am nächsten Morgen mit neu gesammelten Kräften in den Tag einsteigen konnte. Nur klappte das Prinzip nicht immer, leider. Auch diese Nacht ist es mir nicht gelungen, einen tiefen Schlaf zu finden. Natürlich war er manchmal da, der gesuchte Schlaf, doch das kam eher selten vor, sodass ich eigentlich recht froh war, als die Nacht endlich vorbei war und ich mich nicht mehr von einer Seite zur anderen wälzen musste, sondern einfach aufstehen konnte.
So früh war ich wohl auch schon lange nicht mehr aufgestanden, dafür hatte ich viel mehr Zeit für eine Dusche, die mich dann auch so wach machte, wie der Schlaf es eigentlich hätte tun sollen. Egal, die Hauptsache war schließlich, dass ich fit genug für den Unterricht war. Apropos fit. Gestern war ich gar nicht mehr zu irgendeiner Art von Sport gekommen – außer natürlich das bisschen Fliegen, aber das zählte ja nicht wirklich unter Sport. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es gerade mal zehn nach fünf war. Massig Zeit für ein paar Liegestützen. Frühstücken konnte ich hinterher. Wahrscheinlich müsste ich mich danach noch einmal duschen, aber was machte das schon aus?
Rasch zog ich meine Trainingskleidung an – keine sonderlich teure, aber immerhin keine Jeans. Dann stand ich erst ein wenig unschlüssig im Schlaffraum. Hier ging es ja wohl nicht, wenn ich die anderen nicht wecken wollte. Was blieb dann noch? Waschraum? Nein. Große Halle? Hahaha. Das Beste wäre es wohl, wenn ich nach Draußen ginge – wenn das Wetter mitspielte. Mein Blick glitt zum Fenster. Es war ein wenig bewölkt, nicht mehr ganz dunkel, aber hell konnte man dazu auch nicht sagen. Kein Regen, also spielte das Wetter mit. Schnell verließ ich den Schlafraum, durchquerte den Gemeinschaftsraum, passierte nach einigen Minuten die Eingangshalle und fand mich schließlich draußen wieder.
Auf eine kurze Überlegung hin entschied ich mir für den See als mein Ziel. Um diese Uhrzeit waren dort nicht viele Schüler anzutreffen und die paar, die auch nicht schlafen konnten, nun, die würden mir dann vielleicht zusehen. Was machte das schon? Irgendwann würde ihnen das Interesse vergehen und sie selbst würden auch gehen – oder mich einfach nicht mehr beachten, wobei mir beide Möglichkeiten recht angenehm wären.
Nur ein paar Minuten später erreichte ich dann auch den See, der glatt wie ein Spiegel zu sein schien, nur dann und wann plätscherte eine kleine Welle an den Rand, kaum merklich, doch wunderbar beruhigend. Mein Blick glitt einmal umher. Ich sah nur vereinzelt Schüler und auch nur sehr wenige. Zehn, wenn es hoch kam. Mehr nicht.
Als ich meine Jacke auszog drückte die Kälte gegen meine Haut, da ich nur ein T-Shirt anhatte, doch ich ignorierte dies. Gleich würde mir warm sein und anschließend würde ich wahrscheinlich auch schwitzen. Wahrscheinlich war das dann sehr ungesund, aber ich würde es überleben und ansonsten gab es immer noch Rosa, auch wenn ich bei meinen ganzen fünf Jahren auf Hogwarts vielleicht dreimal im Krankenflügel gewesen war. Ich hasste alles, was irgendwie mit Medizin zu tun hatte, also würde ich nur im dringendsten Notfall nach dort gehen – außer ein Lehrer befahl es mir, dann würde ich es auch tun, was man natürlich auch als dringenden Notfall auslegen konnte. Wie man jede Lüge auch als Notlüge auslegen konnte.
Während meiner Gedankengänge hatte ich schon mit den Liegestützen begonnen und langsam wurde mir auch warm. Obwohl so viele andere bei jeder Aufwärtsbewegung wohl mitgezählt hätten, tat ich es nicht. Was brachte das? Man wusste später natürlich, was man geleistet hatte, doch dann kam auch irgendwann der Zwang dazu. Also tat ich es nicht. Ich wollte einfach ein wenig Sport machen und mich fit halten, nicht mehr und nicht weniger.
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Komme von: Alte Runen und böse Geister
Ich schlich durch die noch dunklen Flure des Schlosses. Wie leise es morgens doch sein konnte, man ahnte ja kaum, dass man diese Stille sonst zu fast keiner Tageszeit genießen konnte. Selbst wenn unterricht war hatten nicht alle unterricht und es waren immer die draußen, die eine Freistunde hatten und auch alleine so laut sein konnte wie eine Bande von zweitklässlern. Ich regte mich immer über die kleinen, respektlosen Gören der jüngeren Jahrgänge auf. Ich war mir geradezu hundert prozentig sicher, dass ich nicht ganz so respektlos, laut und irritierend gewesen war, wie diese Generation von neuen Rotzlöffeln es ist! Entschlossen bezüglich dieses Gedanken und deshalb umso entspannter den Gang entlang schlendernd fand ich mich schnell vor der Großen Halle. Eigentlich hatte ich mich vorher noch etwas entspannen wollen, aber mein Magen hatte laut geknurrt und ich konnte ihn nunmal kaum einfach ignorieren. Da mir aber nicht nach Rumsitzen war, in der fast menschenleeren Halle, schnappte ich mir einfach zwei belegte Brötchenhälften und ging wieder meiner Wege. Das machte ich öfter morgens. Vielleicht hoffte ich auch insgeheim Leute zu treffen. Das ging morgens wirklich gut, weil es niemanden gab, der einen stören konnte, wenn man sich morgens begegnete. Ich erinnerte mich an die angenehmeren Morgenbegegnungen, die aber wohl für die andere Hälfte des 'Gespräches' alles andere als angenehm gewesen war. Ich hatte es genossen ihn zuu quälen, besonders am Morgen!
Durch die Korridore des ersten Stockes konnte ich aus den hohen Fenstern hinaus das aufklärende Wetter betrachten. Von hier oben erkannte man wie sich die Wolkenfront verzog, um langsam aber sicher einen schöneren
Tag durchschimmern zu lassen. Versteht mich nicht falsch, ich liebe Unwetter, aber ein schöner Tag hatte auch immer etwas gutes und die Phase, in der sich das Wetter langsam vom einen zum anderen wurmte war auch immer sehenswert. Ich lehnte mich auf den Sims und ließ meinen Blick weiter über die Landschaft streichen. Es waren schon Leute wach, die einen morgentlichen Spaziergang am See genossen. Leyla Kean war unverkennbar zu sehen mit ihrer weißen Haut und ihren weißen Haaren und ihrer schwarzen Aura. Ich konnte sie nicht leiden, diese Zicke. Aber gut. Ich erkannte andere Figuren nicht, aber Leyla fiel nunmal ins Auge. Aber meine Aufmerksamkeit wurde doch auf eine einsame Figur irgendwo am Ufer des Sees gelenkt. Manche Leute erkannte man halt doch auf weite Entfernung trotzdem. Woran? Keine Ahnung, vielleicht war es Intuition, aber ich konnte Menschen wirklich schon oft von weiter Entfernung erkennen. Ich hatte vielleicht besonders gute Augen, aber es hatte auch jeder Mensch eine andere Haltung und Gangart.
Jesroe war nun wieder in meine Gedanken eingedrungen und ich merkte, wie ich eine ganze Weile einfach nur verträumt hinunter starrte. Erst kam er an, dann suchte er sich wohl einen geeigneten Fleck - er war von dieser Entfernung wirklich nicht viel mehr als ein kleiner, schwarzer Strich mit einer wuscheligen Mähne auf dem Kopf, einer dunklen Hose und einem Shirt - und dann machte er wohl irgendwelchen Morgensport. Liegestütze? Das würde zumindest die Horizontale erklären, die er einnahm. Er fing an und machte und ich beobachtete ihn aus dieser sicheren Entfernung. Hier konnte er nicht wissen, dass ich ihn sah. Das hatte etwas merkwürdiges. Ich Stalkerin. Ich entschied mich einfach hinunter zu gehen.
Und das tat ich dann auch und war kaum drei Minuten später in Sprechweite. Ich konnte natürlich nicht anders als zu bemerken, wie gut dieser Typ aussah, bevor ich mich laut räusperte um Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.
"Guten Morgen, Mr Thorn." Ich biss ein Stück von der zweiten Brötchenhälfte ab. Die erste hatte ich inzwischen verspeist. Ich stand nur wenige Meter von Jesroe entfernt aber näher am Wasser, weil ich versetzt an ihm vorbei ans Ufer gegangen war. Der See war recht still und schappte in ruhigem, regelmäßigem Rythmus über die kieseligen Steine des Seerandes.
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Ich muss zugeben, ein wenig war ich doch zusammengezuckt, als Pennys Stimme neben mir erklang. Ob es allerdings stark genug war, dass sie es bemerkt hatte, das konnte ich nicht sagen. Doch egal, ob sie mich nun erschreckt hatte oder nicht. Jetzt war sie da und ich hatte absolut nicht mit ihr gerechnet. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich nicht einmal ihre Schritte gehört hatte, obwohl ich meine Umgebung sonst immer irgendwie im Auge – oder im Ohr? – behielt. Eine kleine Unachtsamkeit und man konnte sich auf Momente wie diesen nicht gut vorbereiten. Doch was dachte ich darüber so viel nach? Ich sollte ihren Gruß zumindest erwidern und nicht einfach mit den Liegestützen weiter machen, als hätte ich sie nicht gehört, denn würde sie sich wiederholen, so wäre es für uns beide peinlich. Für sie, weil sich wiederholen eigentlich immer ein wenig peinlich war und für mich, weil ich sie ja eigentlich schon beim ersten Mal gehört hatte. Zwar wusste sie das nicht, aber ich wusste es und das war genauso schlimm.
Also hielt ich inne und stand langsam auf, wobei mir auffiel, dass mein T-Shirt schon ein wenig feucht vom Schweiß war. Eigentlich recht komisch, da ich noch gar nicht lange mit den Liegestützen beschäftigt gewesen war. Dabei hatte ich nur zwei Tage nichts gemacht. So schnell konnte es gehen und ich nahm mir vor, wieder jeden Tag etwas zu tun. “Guten Morgen, Miss“, antwortete ich genauso förmlich, wie auch sie mich angesprochen hatte. Dabei senkte ich auch kurz den Kopf, um ihr anschließend wieder in die Augen zu sehen. Ob sie wohl immer so früh aufstand? Mir war es nie aufgefallen, muss ich zugeben, obwohl ich darauf auch nie sonderlich geachtet hatte.
Mir fiel wieder mein T-Shirt ein, welches sich nun kalt an meinen Oberkörper klebte. Und wenn ich kalt sage, dann meine ich auch kalt. So kalt, wie es nun mal kalt ist, wenn man an einem kalten Wintertag durch strömenden Regen nach Hause geht. Auf jeden Fall bückte ich mich nach meinem Handtuch, welches ich mitgenommen hatte, um mein Gesicht abzutrocknen. Anschließend legte ich es, wie es Gewohnheit war, um meinen Nacken. Obwohl es so kalt war zog ich meine Jacke noch nicht an, da es ein wirklich widerwärtiges Gefühl war, wenn man unter einer schönen warmen Jacke etwas feuchtes anhatte, welches sich erwärmte. Dann war es wirklich ekelig, da war die Kälte eindeutig besser.
Eine Weile sah ich Penny einfach nur an. Wieso war sie nach hier gekommen? Sie hatte mich mit Sicherheit gesehen, natürlich, aber wieso war sie dann zu mir gekommen? Vielleicht dachte ich ja viel zu sehr als Mann, aber in gewisser Weise fühlte ich mich schon ein wenig gekränkt. Ich hatte keine Ahnung, was sie sich gestern gedacht hatte. Hatte sie überhaupt gedacht? Oder war das ihre Taktik? Ging sie immer so mit andern um? War ich der Einzige? Verdammt. Jetzt ging ich schon man wesentlich weiter, als ich es sonst immer tat und dann... Wieso machte ich mir eigentlich solche Gedanken darüber? Wahrscheinlich war es für sie nur ein kleiner Scherz gewesen, gut, wenn es sie glücklich gemacht hatte. Ich würde mit ihr einfach ganz normal umgehen, so wie immer.
Um mich ein wenig vom meinen wirklich deprimierenden Gedankengängen abzulenken sah ich auf den See hinaus. Da es so gut wie gar nicht windig war bebte die Wasseroberfläche nur hier und da ein wenig. Bebte war vielleicht das falsche Wort dafür. Sie bewegte sich sanft, um die kleinen Wellen seicht ans Ufer zu spülen, damit sie den Kies streichelten. Ich konnte ja richtig poetisch sein, das war ich von mir ja gar nicht gewohnt.
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Als wolle er mir demonstrativ zeigen, dass ich kein Grund war zu eilen oder soetwas stand er auch dementsprechend spät und langsam auf, nachdem ich ihn begrüßt hatte. Er hatte ein helles T-Shirt und eine dunkle Trainingshose an und antwortete mir, als er dann endlich raufgerichtet war und mir in die Augen sehen konnte, ebenfalls mit einem 'Guten Morgen' und einem netten 'Miss' noch dazu, welches er mit dem Nicken seines Kopfes unterstrich. Ich knickste höflich und bemerkte wie er leicht verschwizt aussah, was mich wiederum leicht grinsen ließ. Was war es wohl mit Männern und Training, und das noch dazu oft am Morgen. Ich schlief ja normalerweise lieber lange aus und aß gerne viel und wollte solche Vorzüge doch kaum für Training opfern. Aber auf der anderen Seite hätten Mädchen wie ich, die sich gerne am Anblick hübscher Männer ergözten, kaum noch etwas zu sehen, wenn alle aufhören würden zu trainieren. Und so früh? Vermutlich um geheim zu halten, dass sie überhaupt trainieren mussten um sich in Form zu halten. Als wäre es eine magische Nebenwirkung, dass sie ganz einfach so gut gebaut waren, wie sie waren, so auf die Welt gekommen, ohne alles, oder so. Aber wer wusste schon, wass die sich dabei dachten. Ein Typ wie Jesroe wollte vermutlich einfach nur alleine sein. Wohl auch von mir entfernt.
Aber er konnte nun auch nicht mehr ändern, dass ich hier war. Ich war nicht überrascht, dass die Atmosphäre zwischen uns beiden reichlich merkwürdig war. Ich stand nur wenige Meter entfernt und beobachtete ihn dabei, wie er nach dem Aufstehen und Begrüßen anfing sich mit dem Handtuch abzutrocknen, welches er auf dem Boden neben sich aufbewahr hatte, und es sich anschließend um den Nacken hing. Und nun? Ich muss zugeben, dass ich wirklich ohne Plan und ohne weiteres von meiner Position am Fenster hinunter gekommen war. Das war vielleicht nicht so schlau gewesen. Nun musste ich die leicht unangenehme Stille über mich ergehen lassen, als er fertig war und mich kurz beobachtete. Dann aber brach er den Blickkontakt als es wohl eindeutig zu merkwürdig war, so ohne jedes Wort. Er starrte also statt dessen auf den See hinaus und ich tat es ihm dann gleich. Er war noch immer so, wie ich ihn gerade erst Momente zuvor gesehen hatte. Ruhig, rythmisch rauf und runter über das kieselige Ufer. So wie das halt mit so einem großen Gewässer war, nichts spannendes.
Und nun war es Zeit für mich mir etwas einfallen zu lassen. Irgendetwas zu sagen. Aber um ehrlich zu sein war mein Kopf gerade blank wie ein sauber geleckter Teller - Urgh, komische Metapher. Jedenfalls fiel mir einfach nichts ein und ich starrte für so lange, bis ich dachte ich würde wohl sterben müssen, damit der Moment endlich verstreichen könnte. Irgendwie bescheuert, aber die Stimmung war wirklich so tief. Ich wollte eigentlich irgendetwas bezogen auf den Vorabend sagen und auch noch etwas andeuten, bezüglich der Sache mit der Nachhilfe, aber das war irgendwie nicht so einfach durchzuführen, wie man es sich manchmal gedanklich ausmalte. Ich räusperte mich aber letztendlich und meinte, "Sieht so aus als würden sich die Wolken verziehen." Autsch, dummer Spruch , "Dabei mag ich den Regen eigentlich." Ich musste unwillkürlich etwas grinse, weil es doch einige Tage in der Vergangenheit gegeben hatte, bei denen ich Absichtlich hinaus in den Regen gegangen war, nur um rumzusitzen und nass zu werden.
Aber der Gedanke verflog und ich dachte wieder an die Dinge, die ich sagen wollte, "Wegen gestern..." Und da war es draußen und es musste raus. Ohne es zu bemerken sah ich irgendwie nicht vom See auf, betrachtete nur weiter die stille Oberfläche, welche an keiner Stelle gebrochen wurde und nur selten von besonders starken Windzügen leicht gestört war, "Bist du immer so direkt?" Hä? Auch egal, irgendetwas musste ich fragen, weil erklären nicht wirklich mein Ding war. Ich war wohl in dieser Hinsicht ein typisches, ängstliches Gör, welches es nicht über sich brachte Klartext zu sprechen, weil das praktisch gegen die Gesetze des Mädchendaseins sprach, richtig? Ich musste eigentlich grundlos wütend werden, wie gestern Abend, aber noch fand ich nicht die Kraft dazu, ich war noch zu müde.
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Langsam konnte ich wirklich verstehen wieso viele Leute an Seen gingen, wenn sie alleine sein wollten. Vielleicht wusste ich jetzt auch, wieso so viele gerne angeln gingen. Es waren nicht die Fische, nicht die Beute, die sie mit nach Hause brachten. Es war die Ruhe, die sie suchten. Das Wasser beruhigte, wie es leise plätschernd das Ufer erreichte und auch die kleinen, immer wieder kehrenden Wellen ließen die Ruhe in meinen Geist zurückkommen. Im Moment hatte ich das Gefühl, als könne ich ewig so stehen bleiben. Einfach nur das Wasser beobachten, nichts tun. So viel Ruhe. In diesem Augenblick beschloss ich, öfters nach hier zu kommen, wenn ich einfach nur lesen, vielleicht sogar, wenn ich lernen wollte.
Zwar beruhigte das Wasser, dennoch konnte es die Spannung, die in der Luft lag, nicht vertreiben. Es war nicht die gleiche Spannung, die noch gestern zwischen uns in der Luft gelegen hatte. Heute war sie angespannter, drückender. Eine Spannung, bei der einem förmlich die Sprache verging. Doch wenn ich genauer darüber nachdachte, dann merkte ich, dass ich meine Sprache auch gar nicht gebrauchen wollte. Ich wollte nicht reden oder sie ausquetschen. Sie hatte sicher ihre Gründe, auch wenn sie sie mir nicht verraten wollte. Irgendeinen Grund gab es sicherlich, auch wenn es einfach nur ihr Humor war, mir sollte es egal sein. Es war Vergangenheit, rückgängig konnte man es eh nicht mehr machen, wieso sich also darüber aufregen?
"Sieht so aus als würden sich die Wolken verziehen." Ein wenig irritiert sah ich sie an. Die Wolken...? Klar, die Stimmung, sie wollte ihr sicher entfliehen und hatte sich deswegen ein belangloses Thema ausgesucht. "Dabei mag ich den Regen eigentlich." Nun sah ich nach oben, in den Himmel. Sie hatte recht, die Wolken verzogen sich. Dennoch sah ich keinen Grund, auf diese Feststellungen irgendwie einzugehen, also runzelte ich nur leicht die Stirn und zuckte mit den Schultern, was sie, da sie zum See gewandt war, wahrscheinlich nicht mitbekam. Ich war mir allerdings ziemlich sicher, dass sie auf diese Worte nicht wirklich mit einer Antwort rechnete. Wahrscheinlich wusste sie selbst, dass es nur Worte waren, die die Stille durchbrechen sollten, denn genau als solche Worte fasste ich sie auf. Und selbst wenn sie auf eine verbale Antwort gewartet hatte, sie würde keine kriegen.
"Wegen gestern..." Nun sah ich sie doch an und ein klein wenig Verblüffung lag in meinem Gesicht. Damit hatte ich nicht gerechnet, ich dachte, sie würde nicht darüber reden, es lieber totschweigen. Doch ich war angenehm überrascht, vielleicht war es ja doch kein Spiel für sie. Oder es gehörte einfach zu ihrer Taktik, aber ich hatte nicht wirkliche Lust darüber nachzudenken, ob ich gerade in irgendeiner Weise zum Narren gehalten wurde oder nicht. Ich würde einfach das tun, was ich nun mal tun würde. Und das war bei mir von Situation zu Situation anders. Instinktiv, sozusagen. "Bist du immer so direkt?" Dieses Mal brauchte ich ein wenig länger, um mich wieder zu fangen. Ich? Direkt? Langsam hob ich meine rechte Augenbraue, als ich meine Gesichtsmuskulatur wieder vollständig unter Kontrolle hatte. Zuerst dachte ich noch, ich würde eine halbe Ewigkeit brauchen, um eine Antwort auf diese Frage zu finden, doch schon nach wenigen Minuten begann es, in meinen Augen ein wenig herausfordernd, und auch belustigt, zu funkeln. “Nein.“ Ein paar Sekunden sagte ich nichts, bis ich mir dachte, ich sollte sie nicht länger zappeln lassen. “Du hast mich herausgefordert.“
Noch eine kleine Weile ließ ich meinen Blick auf ihr ruhen, bis ich dann doch wieder zum See sah. Er hatte fast eine magische Anziehungskraft. Doch obwohl ich äußerlich wieder so aussah, als kannte ich keine Gefühle, so sah man in meinen Augen nun deutlich das Interesse. Ich wollte wissen, was sie dazu zu sagen hatte. Ich wollte wissen, wieso sie sich gestern so plötzlich zurückgezogen hatte. Ich wollte es einfach wissen, auch wenn ich die Fragen dazu noch nicht stellte. Vielleicht würde sie es mir ja auch so erzählen, ich wollte sie nicht unter Druck setzen, da ich wusste wie es war, wenn man unter Druck Fragen beantworten sollte. Ich würde ihr Zeit lassen, die richtigen Worte zu finden, falls sie diese nicht schon hatte. Doch wenn die Antworten nicht kamen, so würde ich sie irgendwann fragen, denn ich wollte Antworten. Und irgendwann würde ich sie auch bekommen.
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Ich sah nicht wie sich sein Gesicht verzog, weder als ich ihn auf das Wetter ansprach, noch als er verwundert drein schaute, weil ich ihn fragte, ob er immer so direkt sei, wie er es gestern gewesen war. Nun, eigentlich hatte ich auch die Antwort darauf schon gekannt und konnte mir schon denken wie jeder leicht irritiert reagieren würde. Vermutlich würde jeder andere auch noch sagen: "Ich?! Warum ich?! Du warst es doch, die..." Schließlich würde es doch jeden in seinem Stolz verletzen, wenn man ihn einfach so abblitzen ließ, nachdem man ihn so nah an sich ran erlaubte. Aber ganz so schlimm war seine Antwort dann doch nicht. Er antwortete nur knapp mit einem Nein und schwieg dann einen Moment. Nicht mehr? Ich luscherte aus meinem starren Blick zur Seite und entdeckte dabei, dass Jes trotz seines scheinbar emotionslosen Tones recht belustigt schien. Ich spührte, wie ein leichtes Gewicht von meinen Schultern gedrückt wurde. Es war ein Gefühl der Erleichterung. War es gar wieder ein wenig spielerisch, wie er mich mit dieser Antwort ersteinmal nur anblickte. Nun hatte ich den Kopf ganz zu ihm gewandt und ich antwortete seiner Art nicht, weder mimisch, noch mit den Augen irgendwie. Ich sah ihn nur an, wie ich den See angestarrt hatte. Ich ahnte irgendwie, dass er noch etwas hinzuzufügen hatte.
Und dann sagte er, was ich schon wusste, was mich aber dennoch leicht mit den Lippen zu einem Grinsen zucken ließ. Es war nicht wirklich ein Grinsen, eher dieses hin und her zwischen eben dieser Grimasse und einem Neutrum, was immer dan geschah, wenn man nicht sicher war, ob man in Lachstimmung war, aber doch irgendwie lachen wollte. Ich hätte ihn herausgefordert war seine Verteidigung. Ich zuckte mit der Schulter. Das stimmte wohl, aber so einfach sagen würde ich es nicht. Ich hatte mein Brot schon fertig und verschränkte die Arme locker vor dem Bauch, mein Gewicht etwas mehr auf dem linken Bein verlagernd. Dann konnte ich nicht anders als wirklich leicht zu grinsen. Ich konnte meine Augen nicht ganz auf ihn halten und ließ sie so ab und an auch über das Ufer des Sees schweifen und über die Oberfläche des eisigen Gewässers selbst, immer wieder zu ihm zurückkehrend. Es war ein wenig kalt, wie immer Mrogens, und ich fragte mich, ob Jes nicht frierte. Ich jedenfalls schon. Der Gedanke von zwei warmen Körpern, die sich gegenseitig vor der Kälte schützten durchstreifte meinen Kopf. Nicht ungewöhnlich für meine Wenigkeit sich zu überlegen, wie man eine solche Situation best nutzen konnte. Aber ich verworf den Gedanken dann doch, er schien leicht bescheuert und zu weit voraus gegriffen. Nun ja.
"Wieso habe ich dich denn herausgefordert?" Fragte ich dann in unschuldig lautem Stimmenbogen, "Oder was habe ich gemacht?" Ich mochte nicht stehen, weshalb ich mich nur einen Meter weiter gegen einen großen Felsen lehnte, der unter einer Birke wie eine massive Schnecke aussah. Ich rutschte den Stein hinunter, bis ich nur mit dem Rücken gegen ihn gelehnt dort hockte, die Arme noch immer um den Bauch geschlungen und der Blick wieder nach vorn gerichtet, "Ich zwinge niemanden zu nichts." Sagte ich und versuchte ohne großen Erfolg ernst zu klingen. Doch ich wartete auch auf eine Antwort bezüglich meiner Fragen. Forderte ich ihn damit wieder heraus? Ich sah von ihm mit einem großen Bogen meiner Augen zum Himmel, der nur Stückweise durch das noch recht dichte Blätterdach der kleinen Birke zu sehen war, und dann hinunter zum nassen Rasen, der meine Socken über die kleinen Schühchen erreichte und nass machte. Ich zupfte einen Grashalm nach dem anderen heraus, welcher es so nah an mich heran geschafft hatte.
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Als ich ihr meine recht knappe Antwort gab drehte sie sich dann doch zu mir um. Auf ihrem Gesicht erschien jedoch keine Regung. Kein kleines Lächeln, kein kleines Zucken, nicht einmal die Augen kniff sie kurz zusammen. Nichts, als würde sie durch mich hindurchsehen, obwohl das auch nicht der Fall zu sein schien. Ich starrte einfach zurück, was sollte ich auch sonst tun? Lächeln? Ich? Nein, das kam nicht allzu häufig vor und vor allem nicht in solchen Situationen. Mein Blick wurde also wieder ausdruckslos, auch das etwas belustigte Funkeln verschwand wieder, auch wenn es mir eine Art Schutz gegeben hatte. In solchen Situationen sollte man wirklich lieber versuchen alles ein wenig optimistisch zu sehen. Doch auch die Ausdruckslosigkeit war eine Mauer. Meine Mauer, errichtet um meine Seele, die dort behütet schlief. Ich musste zugeben, dass Penny es schon geschafft hatte so laut an der Mauer zu kratzen, dass selbst meine Seele aus ihrem Tiefschlaf in ein Dösen geglitten ist.
Bei meinen nächsten Worten kam dann endlich doch eine Reaktion. Ein leichtes, allerdings sehr kurz währendes Grinsen, welches eher ein Zucken war. Sicher hatte sie mit so einer – oder einer ähnlichen – Antwort gerechnet. Hier kam sie, wieso also den kleinen Sieg nicht mit einem ebenso kleinen Grinsen feiern? Anschließend zuckte sie noch mit den Schultern, als währe es das Normalste der Welt. So kam es für mich zumindest rüber. Ja, vielleicht war es für dich so normal. Für mich sicherlich nicht. Und schon wieder dachte ich zu wissen, was sie dachte, doch dazu hatte ich keine Grund. In den Künsten der Gedankenlesung war ich noch nicht geschult. Man bedenke das ‚noch’ in diesem Satz, vielleicht würde es ja eines Tages dazu kommen, interessant wäre es sicher.
Während meinen Gedanken hatte Penny ihre Arme vor ihrem Bauch verschränkt und ihre Position ein wenig verändert, wohl damit es gemütlicher war oder um eines der Beine ein wenig zu entlasten. Welche Gründe es auch hatte, auf jeden Fall tat sie es. Aus irgendeinem anderen Grund – ich denke es war nicht der gleiche Grund, der sie dazu veranlasst hatte, ihre Position zu verändern – begann sie dann doch ein wenig zu lächeln. Was ging nur in ihrem kleinen hübschen Köpfchen vor? Manchmal wünschte ich mir wirklich nur ansatzweise zu wissen, was in den Köpfe anderer vorging. Über was dachten sie nach, während ich damit beschäftigt war ihre Gedanken anhand ihrer Gestik und Mimik zu entziffern?
"Wieso habe ich dich denn herausgefordert?" Ihre unschuldig klingende Stimme ließ mich meine rechte Augenbraue heben. Ja, ich war mir ziemlich sicher, dass sie genau wusste, was ich damit hatte sagen wollen. War das wieder etwas, was nur Frauen machten? Um den heißen Brei reden? Wäre ich hier derjenige, der die Fragen stellte, so würde ich versuchen solche zu stellen, bei denen Antworten herauskamen, welche die gestellten Fragen auch beantworteten. Doch dies war wieder eine Frage, mit der sie mich herausforderte etwas zu erwidern, was sich um die wahre Antwort herumschlängelte wie eine Schlange, die ihr Opfer zwar sieht und es auch haben möchte, dem Drang aber nicht widerstehen kann, doch noch ein wenig mit der noch nicht gefangenen Beute zu spielen. "Oder was habe ich gemacht?" Das war fast noch fieser, da ich ja schließlich derjenige gewesen bin, der angefangen hatte, die Unterhaltung auf nonverbale Weise weiterzuführen.
“Ich weiß nicht wieso du mich herausgefordert hast. Vielleicht warst du neugierig, wie ich darauf reagieren würde.“ Das meinte ich damit. Was hatte sie durch ihre Frage jetzt erreicht? Wir waren eindeutig wieder auf der Unterhaltungsebene gelandet, auf der wir gestern auch gewesen waren. Die Frage war wieder die gleiche: Wer war die Schlange und wer das Opfer? “Deine zweite Frage zu beantworten ist bei weitem ein wenig schwerer. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich glatt behaupten, du hast geflirtet.“ Das hatte sie. Da konnte sie mir nichts gegenteiliges sagen. Allerdings war dies wieder eine Art Spiel, bei der die Regeln noch nicht ganz ausgereift waren – gab es überhaupt irgendwelche Regeln? Vielleicht sollte ich sie bei Gelegenheit einfach mal fragen, doch jetzt war die Gelegenheit noch nicht gekommen.
Während Penny es sich an einem recht großen Stein gemütlich machte merkte ich langsam, wie die Kälte an meiner Haut zog. Zwar zitterte ich nicht, doch das hieß nicht viel. Kalt war es auf jeden Fall, also wäre eine Jacke nicht das Schlechteste. Das Problem war nur, dass mein T-Shirt immer noch nicht wirklich trocken war. Reichte es schon, um die Jacke anzuziehen oder würde es dann wirklich eklig werden, wenn das Wasser warm wurde? Eine eigentlich recht leichte Frage, doch eine Antwort darauf zu finden war wesentlich schwerer, als ich gedacht hatte, also sah ich nur einige Sekunden lang auf meine Jacke, um sie dann doch zu nehmen und überzustreifen. Die Kälte hatte gesiegt.
"Ich zwinge niemanden zu nichts." Ich hatte schon fast damit gerechnet, dass nichts mehr folgen würde, doch da hatte ich wohl falsch kalkuliert. Allerdings ließ mich diese Aussage doch ein klein wenig lächeln, doch fast sofort wurde mein Gesicht wieder ausdruckslos. “Da magst du recht haben, doch man sollte die Wirkung von Frauen auf Männer nicht unterschätzen.“ Was redete ich denn jetzt? Es war einfach daher gesagt, um irgendwie zu kontern, doch war mir das mit dieser Aussage gelungen? Auf den ersten Blick schien es mir nicht so, doch wenn ich weiter darüber nachdachte, so fand ich meine Worte immer besser. Mit solch einer Antwort hatte sie sicher nicht gerechnet.
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"Vielleicht." War meine federleichte Antwort. Federleicht? Ja, weil sie nur ganz leise über meine Lippen kam, so dass man meinen könnte, ich rede mit mir selbst, eher als mit Jesroe. Auch sah ich ihn dabei nicht an, sondern ließ meinen Blick in die Ferne gleiten, wo er über das Ufer strich und alles genau zu mustern schien, ohne wirklich überhaupt etwas zu sehen. Das war typisch für mich. Ich meine, dieses Sichertasten, wie der Gegenüber auf provokantes Verhalten reagiert. Es lag wohl eindeutig, und das konnte ich gerne zugeben, am Einfluss meiner besten Freunde, oder eher vor allem meiner besten Freundin, welche nun noch viel krasser war als ich, wenn es zu diesem Thema kam. Der Fels drückte mir kalt auf den Rücken, ungemütlich und hart, wie es für einen so kalten Morgen auch nicht anders zu erwarten war. Es war aber besser als stehen. Und nun, wo ich so saß und ein wenig klarer denken konnte, weil meine Beine etwas entlastet waren vom Rumstehen, konnte ich mich auch mehr auf die Dinge konzentrieren, die ich loswerden wollte.
"Ich glaube jeder hätte das an meiner Stelle gemacht." Sprach ich dann weiter, ließ meine Augen dabei ab und zu in seine Richtung streifen, aber nicht ganz, "Ich meine, niemand kennt dich, oder?" Und diese Frage ließ meine Augen die seine ersuchen und dort stehen bleiben, "Kennt irgendwer dich, in unserem Jahrgang, unserem Haus, der ganzen Schule?" Meine eine Augenbraue hob sich fast bis an den Haaransatz, meinen eindeutigen Zweifel daran aussprechend, ohne, dass ich wirklich etwas sagen musste.
Als er meinte, dass ich wohl geflirtet hätte, wenn er es nicht besser wüsste, lachte ich kurz und meinte, "Ach, wenn du es nicht besser wüsstest? Heißt das, dass du es doch besser weißt und ich eigentlich etwas anderes gemacht habe?" Das war wohl auch irgendwo gemein. Aber wenn ich solche Dinge sagte fühlte ich mich wieder sicherer. Aussagen meinerseits, wie zuvor, hinterlassen mich meist etwas unangenehm schwankend. Aber wenn ich mal sicher war, was ich sagen wollte, und wie, dann ging es mir besser. Ich sah ihn nun fragend an. Er hatte sich seine Jacke angezogen, weil ihm scheinbar kalt geworden war, was ich ihm wohl auch nicht verübeln konnte, schließlich war es eisig und er war noch von seinem Schweiß nass geworden. Er musste wirklich frieren. Aber mir war auch kalt und ich wollte das hier nicht so einfach auflösen. Man hätte ja auch wo anders, wärmeres hingehen können, aber irgendwie fiel mir das in diesem Moment nicht ein. Ich hockte gegen den Stein gelegt und lehnte meine Ellenbogen auf meine Knie, mein Gesicht wiederum in meinen Händen. Es ging noch mit der Temperatur.
Dann sprach er weiter, ich möge recht haben, mit meiner Behauptung, ich zwinge niemanden zu nichts, doch solle ich dabei auch nicht außer Acht lassen, wie Frauen Männer beeinflussten. Das überraschte mich irgendwie, dass er soetwas so direkt sagen konnte. Ich meine, jeder, und vor allem ich, wusste, dass das so war, doch hatte noch kein Junge das so direkt gesagt. Ich meine, dass war wie zugeben, dass man irgendwo diesbezüglich zumindest unterlag. Ich starrte mit stark gerunzelter Stirn auf den See, den Mund ein wenig verzogen, als wüsste ich nicht so recht, wie ich seine Aussage aufnehmen sollte und vor allem, wie ich darauf zu antworten hatte. Ich sagte dann das, was mir zuerst in den Kopf gegangen war, "Das hatte ich vergessen." Und ich nickte dabei. Irgendwie war es nicht meine Art ganz so ernst über Sprüche nachzudenken und das Spiel, welches getrieben wurde, so zu ignorieren. Oder besser, ich sah es gerade in diesem Moment nicht. Er antwortete und sprach wie am Vorabend, mit direkten Aussagen, die mich über den Haufen werfen sollten, es aber nun keineswegs taten, weil ich mit so viel Ernst daran ging.
"Vermisst du es eigentlich gar nicht richtig enge Freunde zu haben, an der Schule, mit denen du Dummheiten anstellen könntest oder über alle möglichen Sachen reden kannst?" Diese Frage war überraschend echt und interessiert von mir aus. Ich musterte ihn dabei neugierig und hatte das Gefühl, dass er mir keine Antwort geben würde, oder zumindest keine, die wirklich etwas aussagte. Er war immer verschlossen und so nahm ich es auch auf diese Frage hin an. Wieso sollte er darauf ehrlich antworten? Würde das nicht viel zu viel über ihn verraten, was er aber nicht wollte, dass andere wissen? Das würde seine Barrieren sprengen, wo er sie aber fest verankert haben wollte. Er wollte doch niemanden an die Dinge hinter ihr lassen. Aber es war wohl ein schwacher versuch zumindest um die Ecke luschern zu dürfen. Ich schnupfte leicht mit der Nase. Es wurde wirklich kalt und meine Nase und meine Finger, so wie meine Zehen fühlten sich langsam an wie kleine Eiszapfen.
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Eigentlich hatte ich mit einer etwas längeren und vor allem etwas spitzeren Antwort gerechnet, als mit einem ‚vielleicht’. Doch Frauen waren voller Überraschungen und ich hatte mich schon das ein oder andere Mal darüber aufgeregt, dass ich keine Ahnung hatte, was in ihrem Kopf vorging. Aus dieser Antwort konnte ich sicher nichts Erwähnenswertes erfahren, außer vielleicht, dass sie nicht auf das Spiel eingehen wollte, welches ich so schnell wieder aufgenommen hatte. Oder sie hatte es nicht als eben dieses erkannt, welchen Grund es auch haben mochte. Es zeigte mir deutlich, dass ich auch wieder auf eine ernstere Gesprächsgrundlage zurückgreifen sollte.
"Ich glaube jeder hätte das an meiner Stelle gemacht." Ich hatte nicht damit gerechnet, dass noch etwas folgen würde, also sah ich sie vielleicht ein klein wenig überrascht an, vor allem, als ich auch den Inhalt der Worte verstand und nicht nur den Ton hörte. Doch noch mehr überraschten mich die darauffolgenden Worte. In meinem Gesicht war nun wohl wirklich die Überraschung ziemlich deutlich zu lesen. Einen Moment starrte ich sie einfach nur an, konnte mich gerade noch davon abhalten, den Mund erstaunt zu öffnen. So direkt hatte mich noch niemand darauf angesprochen, dass ich nichts von meiner Vergangenheit preis gab. Das haute mich schlichtweg um. Also starrte ich sie an, bis ich dann endlich merkte, dass ich sie anstarrte und fast, als würde ich flüchten wollen legte sich wieder die starre, gefühlslose Maske über mein Gesicht und ich sah zum See. Nein, ich war kein Feigling, ich sah meine Gesprächspartner an, wenn ich ein ernsthaftes Gespräch führte und dieses Gespräch war auf einmal sehr ernst. Also sah ich ihr wieder in die Augen, ein paar Sekunden, bevor ich dann doch antwortete. “Du hast recht, niemand kennt mich wirklich. Ich bin der, der die guten Noten schreibt und der sich aufregt, wenn man ihn beim Lesen stört. Wahrscheinlich nennen die meisten mich einen Streber, doch ich tue das nicht, weil es mir so unendlich viel Spaß macht. Ich tue das für meine Zukunft, dass ich ja nicht mehr dahin muss, wo ich herkomme.“ Zu viel, ich hatte viel zu viel gesagt. Fast hätte ich nicht mehr aufgehört, als ich bemerkt hatte, wie gut es tun konnte, wenn man anderen sein Herz ausschüttet, doch ich wollte es nicht. Meine Vergangenheit war meine Vergangenheit, sie ging niemand anderen etwas an.
Um ihr zu verdeutlichen, dass ich darüber nicht mehr sprechen wollte blickte ich wieder zum See, doch nicht verträumt. Nein, es war ein Weggucken, welches man dann benutzte, wenn man über das angeschlagene Thema nicht mehr reden wollte. Da sagte mir der nächste Spruch Eileens schon wesentlich mehr zu. Wahrscheinlich sollte er mich ärgern, doch genau so etwas brauchte ich jetzt. Etwas, was mich von meinen Gedanken über meine Familie ablenkte. Familie? Ich hatte keine Familie. Ich hatte nur mich und einen Haufen Muggel, die dachten ihr Kind sei psychisch gestört. Nein, darüber sollte ich wirklich nicht nachdenken. Aus diesem Grund wandte ich mich Penny nun auch wieder zu. “Sag du es mir, ich bin nur ein einfacher Junge, der versucht die Gedanken eines hübschen Mädchens herauszufinden.“ Das ‚hübsch’ hatte ich extra mit reingebracht. Normalerweise hätte ich es nicht gesagt – nicht, weil sie nicht hübsch war, denn sie war hübsch – sondern, weil ich die Hoffnung hegte, dass sie dadurch nicht mehr über das vorherige Thema nachdenken würde.
Zu meinen nächsten Worten sagte sie wieder weniger, als würde auch irgendetwas in ihrem Kopf herumgehen, was sie von anderen Themen ablenkte. Sie hatte es vergessen? Was wollte sie damit sagen? Oder wollte sie überhaupt etwas damit sagen? Vielleicht hatte sie wirklich andere Dinge im Kopf und sie hat einfach irgendetwas gesagt, um mir einfach zu antworten. Ich zumindest hielt es nicht für nötig, näher darauf einzugehen. Was sollte ich schon darauf antworten? Dass sie mir sagen solle, wieso sie es vergessen hatte? Das wäre nun wirklich lächerlich gewesen.
"Vermisst du es eigentlich gar nicht richtig enge Freunde zu haben, an der Schule, mit denen du Dummheiten anstellen könntest oder über alle möglichen Sachen reden kannst?" Sie versuchte wirklich, etwas über mich herauszufinden. Das hatte nicht einmal meine Ex geschafft, obwohl ich zugeben musste, dass ich sie auch nicht wirklich geliebt hatte. Was war schon Liebe? Ein Vorwand, um mit anderen zusammen zu sein, mehr nicht. Diese Worte wollte ich allerdings nicht unbeantwortet lassen, dafür waren sie zu wichtig, auch wenn es wieder etwas war, worüber ich nicht reden wollte, aber man konnte ja auch antworten, ohne etwas von sich preiszugeben. “Nein, das vermisse ich nicht. Wie kann man auch etwas vermissen, was man nie erlebt hat? Aber ich möchte es auch nicht ausprobieren. Ich bin zufrieden so wie es ist.“ Gut, vielleicht sagte man bei solchen Antworten immer etwas über sich selbst, doch hier hatte ich im Grunde genommen auch nicht mehr gesagt, als ich es vorhin schon getan hatte. Mehr würde sie auch nicht aus mir herauskriegen. Die Mauer habe ich durch jahrelange Arbeit erbaut, so einfach lasse ich sie nicht fallen.
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(OOC: verzeih mir bitte die tausend Tippfehler, bin gerade am PC meiner Mutter mit einer äußerst ungewohnten Tastatur, die fiel mehr Druckkraft erfordert, als die meine.)
Ich musste zugegebener Maßen eine gewisse Zufriedenheit in mir feststellen, als ich die leichte Überraschung in einen Augen erkennen konnte, wie er geradezu offen - vermutlich ohne es selbst zu wissen - starrte, bevor er sich rasch versuchte mit kühler indifferenz zu maskieren. Doch nun hatte ich schon das eine oder andere Wort mit ihm wechseln können um dieses Schema zu erfassen. Immer wieder aufs neue wollte er sich einen Meter herauslocken lassen, bevor er wieder versuchte zwei zurück zu springen. Ich konnte nur hoffen, dass diese zwei Meter eher als nur einen halben ausfiel. Nur dann konnte man hoffen irgendeinen Unterschied zu erkennen, irgendwann. Aber es wäre wohl gelogen, wenn ich nun behaupten würde, dass all diese scharf kalkulierten gerade aufgeführten Gedankengänge die meine waren in dieser Situation. Nein, dieses Schema zu erkennen und so weiter wäre wohl eher auf eine Nacht des Nachdenkens zurückzuführen. Ich werde mir nicht selbst so loben, dass ich soetwas schnell erfassen würde. Oftmals wanderte meine Zunge schneller und spuckte Worte heraus, bevor ich mir wirklich sinnvolle Gedanken machte. Vielleicht war es diese offene und ehrliche Brutalität, die mich so stark von meinem Bruder zu trennen vermochte. Eigentlich war ich jedenfalls in diesem Moment weniger kalkulierend und eher innerlich überrascht, dass er seine Überraschung äußerlich so stark zu erkennen geben würde. Aber auf der anderen Seite hatten meine Worte mich auch Teils selbst überrascht.
Und als er letztendlich auf meine so direkten Fragen gar Antwortete, mit Worten, die sogar etwas bedeuteten und wirklich Erlichkeiten in sich bargen, die ich tatsächlich nicht so erwartet hätte, war es nun ich die an der Reihe war wahrlich überrascht zu sein. Nur bemühte ich mich diese noch immer mehr zu unterdrücken, immer parallel zur wachsenden Überraschung. Ich hätte mich nie als die bessere Künstlerin gesehen, wenn es um das Verbergen der Gefühle ging, besonders nicht im Kontrast zu ihm, und doch hatte ich das efühl mich erstaunlich gut zu schlagen. Das einzige, was sich offen zeigte, waren der Blick, der zu ihm schoss, bei dem "wo ich herkomme" und der dabei leicht offen stehende Mund, der aber kaum wirklich auffiel und noch als einfaches Einatmen getarnt werden konnte. Nur langsam schloss er sich wieder, als die Augenlider sich leicht verengten, nachdenklich, fast angestrengt, Jesroe anblickend. Gerade hatte ich alle Gefühle der Kalten Umgebung schlicht und ergreifend vergessen. Nun war nicht der Zeitpunkt um aufzustehen oder sich irgendwie zu bewegen. Es war am besten den Moment still abzuwarten falls er noch vor hatte irgendetwas hinzuzufügen.
So war es wohl auch kaum unerwartet, dass wirklich nichts dazu kam und nur triviale Antworten auf mein Triviales Wortspiel kamen. Den leichten Witz meiner selbst musste ich nun gänzlich ablegen. Sein klar abgewandter Blick als er seine wahrlich interessanteren Worte beendet hatte sollte mir wohl eine Bremse darstellen. Doch konnte ich diese einfach ignorieren. Ich hatte vor die Tür so kräftig aufzustoßen, dass jeder Stopper nichts brachte. Hach, die Poetin in mir hat gesprochen... aber egal, genug davon!
"Ich will mich davon nicht betören lassen, obgleich mir deine Adjektive schmeicheln. Aber ich werde es so sagen: Genug Leute sagten mir, dass ich hübsch sein, eingebildet wie es klingen mag ist es eine simple Wiedergabe einer Fakt." Ich grinste hierbei leicht verschmizt, "Ich muss gestehen, dass ich durch all meinen Narzissmus hindurch gerade das erste mal tatsächlich mehr an jemand anderem interessiert bin, als mir selbst." Gut, es war sicherlich früher öfter mal vorgekommen, dass ich ehrlich an jemand anerem interessiert gewesen war, und das mein ich nun auf einer ganz non-physischen Ebene, aber in diesem Moment konnte ich mich nicht wirklich erinnern, weshalb ich nur schließen konnte, dass es auch keine nennenswerten Aufflammungen des Interesses gewesen waren.
"Wie kühl und überzeugt du sagst, du wollest nicht, was du nie hattest. Wie tragisch das schon klingt..." Ich ließ die Worte langsam über meine Lippen kommen und ließ eine Pause um verträumt gen Himmel zu schaun, als sei diese Tragik wirklich Shakespeare-reif. Ich atmete tief und dramatisch durch die Nase ein, als ich wieder hinunter zu Jesroe sah. Ich wollte ernst sein und war ernst und doch fiel mein Spott nicht aus. Nun, Spott wäre etwas hart ausgedrückt. Nun, aber doch, ich Spottete, aber es war nicht ihn, den ich verspottete, sondern diese elende Mauer, die er so glaubensfest errichtete.
"Man wird alleine geboren, man lebt allein und irgendwann wird man auch alleine sterben. Und alles zwischendrin kann man also genausogut alleine überleben? Ist es so, wie du das Leben siehst? Gelegentliche amüsante oder weniger amüsante Interventionen in diesen Frieden, aber ansonsten eine streng durchgezogene Einsamkeit voller erwähnter Überzeugung..." War ich damit zu weit gegangen und hatte ich nun interprätiert, wo ich kein Recht hatte zu interprätieren? Meiner Meinung nach war es sowieso verboten, denn verstand man etwas falsch so konnte man andere völlig verkehrt beeinflussen und verändernd... Aber das war nun nicht mein Belangen, denn er würde sich kaum prägen lassen, wenn ich völlig falsch lag. Und selbst wenn ich irgendwo Recht behielt würde er vermutlich auch nichts offen zeigen.
"Woher kommst du also?" Trotz einer kurzen gedanklichen Brücke und einer Absatz kam diese Frage nur wenige Sekunden nach meiner versuchsweise durchleuchtenden Ansprache. Und nun stand ich wieder auf, denn es wurde mir am Fels zu kalt und ich wollte ihm direkt in die Augen sehen können, starr und auf meine Art und Weise überzeugt. Sollte er ausweichen, sollte er leugnen, sollte es mir doch egal sein. Wir lebten auf einem Fleck, früher oder später würde ich ihn wieder sehen und ich würde nicht zulassen, dass diese Zeit mir zwischen die Finger hundurch rinnt. War ich neugierig, war ich interessiert, wollte ich wissen, dann wollte ich wissen. Denn flach wie ich manchmal war mit interessen, so hätte ich mich selbst niemals als so oberflächlich umschrieben, wie ich mich manchmal benahm. Ja, man sagte es waren weder Dinge die man besaß, noch Charakterzüge, die man sich selbst zuschrieb, oder die anderen einem zuschrieben, sondern die Taten welche die Eigenschaften der Menschen definierten, aber ich glaubte das nicht. Ich konnte auch unerwartet sein, wenn ich wollte. Unerwartet interessiert, unerwartet determiniert. Und so nun, denn ich erhoffte mir in diesem Moment nichts mehr daraus ihn besser verstehen zu lernen. Ich wollte es einfach nur tun.
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Immer noch schwebte ein leichter Hauch Überraschung in mir, der jedoch in meinem Blick nicht mehr zu erkennen war. Meine Mauer war wieder erfolgreich errichtet worden. Sie stand wieder, dicker als zuvor. So weit hätte es nicht kommen brauchen. So weit hätte es nicht kommen dürfen. Das war einer meiner Grundsätze. Ein guter Grundsatz. Niemand hatte mir je wieder weh getan und ich hatte nicht vor, jemandem die Chance zu geben, mir weh zu tun. Selbstschutz. Nichts anderes war diese Mauer. Und sie schützte hervorragend. Bis jetzt. Doch nur würde sie es wieder tun. Ich würde nichts mehr über mich preisgeben, egal, was sie sagen würde. Ich merkte, dass ich diese Gedanken fast panisch hervorzwang. War ich in Panik verfallen? Nein, ich stand auf der Klippe. Einen Schritt weiter und ich würde in den Abgrund bodenloser Panik fallen.
Sie versuchte es wieder. Ihre nächsten Worte ließen mich dies zumindest annehmen. Nett gewählte Worte, die mich sicher wieder aus der Fassung bringen sollten, da ich nicht auf sie gefasst gewesen war. Gut, sie überraschten mich ein wenig, sie reagierte anders, als andere Mädchen es getan hätten, doch es überraschte mich nicht so sehr wie es zuvor der Fall gewesen war. Ich ließ der Überraschung keine Chance. Sie war da, zweifellos, doch sie hatte keine Macht. Es waren nur Worte, nicht mehr und nicht weniger, was nützte es mir, mich darüber aufzuregen, meine Gefühle dadurch zu zeigen? Nichts, außer Deprimiertheit. Und die wollte ich nicht. Eigentlich wollte ich im Moment jemanden vor mir haben, den ich ohne zu bedenken angreifen könnte. Dem ich irgendeinen kleinen Fluch auf den Hals jagen könnte. Theoretisch könnte ich das bei Eileen auch, doch ich wollte es nicht. Wenn dann wollte ich einen fairen Kampf, wo der andere wusste, auf was er sich einzustellen hatte und an so etwas dachte Eileen im Moment bestimmt nicht.
Also überging ich ihre nächsten Worte einfach. Was sollte ich darauf schon antworten? Nett gesagt. Das wäre so ziemlich das einzige, was mir eingefallen wäre, ohne dabei fies zu werden und dafür lohnte es sich nicht, den Mund aufzumachen. Also wartete ich auf ihren nächsten Angriff. Ja, Angriff. War dies nicht zu einem Kampf geworden? Wollte sie nicht meine Deckung brechen, um mich dann anzugreifen? Sicher war es nicht böse gemeint, doch das war noch schlimmer. Meine Eltern hatten es auch nicht böse gemeint und es war die Hölle gewesen. Tragisch? Das Wort und auch ihre Gestik, wie sie bedeutungsstark zum Himmel sah, als würden wie in einem großen Theaterstück mitspielen, ließen ein Grinsen auf meinen Lippen erscheinen, welches auch nur von kurzer Dauer war. Noch immer sagte ich nichts, was auch nicht falsch gewesen war, denn es folgten weitere Worte, die einer Analyse meiner Person glichen. Sie wollte mich aus der Reserve locken, ich spürte es förmlich, doch diesmal nicht. “Nett ausgewählte Worte, die furchtbar genau meine Person beschreiben. Du hast doch schon alles über mich gesagt, was willst du also noch wissen?“ Meine Stimme nahm den Worten alle Ehrlichkeit. Hatte sie schon einmal gedacht, in meiner Stimme läge nur Spott, so wurde sie jetzt sicherlich davon überzeugt, dass es noch nie der Fall gewesen war. Meine Stimme war wie ein Lappen, triefend vor Spott, würde man diesen Lappen auswinden, so würde man einen Eimer voll reinem Spott daraus pressen können. Vielleicht ein wenig zu viel Spott, vielleicht war sie dadurch verletzt, vielleicht war es mir im Moment egal. Sie sollte nur aufhören. Einfach aufhören.
Vielleicht sollte die nächste Frage durch ihre Zielgenauigkeit wieder einen Teil meiner Mauer zum Einsturz bringen, doch da musste ich sie enttäuschen, denn die Mauer war bereits wieder aufgebaut, größer und dicker als zuvor. Dennoch konnte ich nicht wiederstehen, nun mit einem kleinen Hauch von Spott zu antworten. “Ich komme daher, wo ich herkomme.“ Das kleine bisschen Spott, was in diesen Worten enthalten war, sollte sie um Verzeihung bitten, für meinen vorangehenden Ausbruch. Als Penny nun aufstand und mir in die Augen sah, sah ich einfach zurück. Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte, denn entweder würde ich mich bei ihr entschuldigen, oder fies werden, wenn ich den Mund nun öffnete. Wirklich wollen tat ich beides nicht, also sagte ich kurzerhand gar nichts, sonders sah sie einfach nur an mit ausdruckslosem Blick.
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Er wartete wirklich gedulgid, bis ich zuende gesprochen hatte, und ließ dabei keine Reaktionen aus seiner regungslosen Miene flüchten. Das ließ mich schon etwas erschrocken. Wollte er nichts sagen? Ich merkte, wie sich ein ungewöhnlich ekeliger Klumpen in meinem Hals formte, der mich daran hinderte zu schlucken. Und seine Antwort kam natürlich, wie erwartet, mit hohlen Worten, die mir keine Auskunft gaben, nur zurück lachten und trotz ihres Sinnes behauptend, dass ich Recht behielt, doch mit ihrem Ton nicht wirklich verraten, wieviel von dem, was ich gesagt hatte, auch nur annähernd in seine Richtung zutraf. Meine Befürchtung, ich sei zu weit gegangen, war wohl die richtige gewesen, und der bittere Nachgeschmack dieser offensichtlichen Niederlage ließ meine Mundwinkel wie vor ekel herabgesackt, dass sie fast meinen Kinn berührten, und meine Nase gerümpft. Es war kein arroganter Blick, eher einer, der Person, die nicht wusste, wie sich aus der Situation zu retten. Es war das Verlieren, welches so in der Brust stach. Ich war eine wirklich grottige Verliererin, und das ließ sich an meinen Zügen nun wohl deutlich ablesen. Und dass meine Augen leicht gerötet waren und ihre Ränder schimmerten hatte wohl auch kaum mit Trauer und mehr mit einer leichten Wut zu tun, die sich in der Enttäuschung mit aufbrodeln ließ.
Das war kein sentimentaler Ausbruch der Emotionen, sondern viel mehr ein Beleidigt- und zugegebenermaßen leichtes Verletztsein. Er käme daher, wo er nunmal her käme. Ach was. Leerer hätte ich es selbst nichteinmal ausdrücken können. Trivialere Worte hätte ich nichteinmal zu formulieren vermocht.
"Und ich dachte du sprichst nicht, wenn es nicht notwendig ist." Ich hatte wohl kaum eine Abstufung seines Spottes gehört, nur ihn an sich hatte ich verspührt, und das reichte mir, um das Stechen zu erkennen, welches immer irritierender wurde. Welch schlechte Verlierer Gott doch hervorholte. Und nun war ich besonders wütend darauf, dass diese Umschreibung auf mich zutraf. Ich hasste es zurückgewiesen zu werden, ich hasste es wirklich. Ich war doch überzeugt davon, dass ich schon etwas von ihm verstand und doch stieß er mich wieder zurück als sei ich eine Wahnsinnige, als verneine er es selbst. Das war der einzige Gedankengang, der mich davon abhieklt doch vor Wut überzuschäumen wie ein Topf kochendem Wassers.
Meine nun eng geschlossenen Lippen, die immer schmaler wurden, als wolle ich bloß nichts durch sie hindurch dringen lassen, wollten auch keine Worte mehr aussprucken. Ich hätte gern noch irgendetwas gesagt, aber der Kloß... Nun gut, es blieb mir nichts übrig als einen Moment feurig und wütend zu starren, bis ich nur noch eine Sekunde davor war mich abzuwenden und davon zu trampeln. In dieser Seunde fiel mir dann doch etwas aus dem Mund, "Halt lieber deinen Mund, denn dein guter Vorsatz nur intelligente und sagenswerte Dinge von dir zu geben ist durchaus lobenswert. Ich will ja nicht, dass du diesen wegen mir brichst." Das war wieder die Eileen, die wir alle kannten. Das war ich, welche gerne mal ein Glas zerschmetterte, wenn sie wütend war. Ich, die einen Tisch zersplitterte, an dem ich mir den Zeh stieß. Ich hasste es mir den Zeh zu stoßen und wenn die Möbel im Weg standen, so bei Gott, sollten sie dort ihr Ende finden, wo sie entscheiden mir den Zeh zu demolieren. Ja, das war ich, wie ich leibte und lebte, beleidigt, mein Mund schneller als mein Kopf, der jede Beleidigung ausspruckte, die mir in den Sinn kam. Sollte Jesroe doch abzischen, mir war es gerade mehr als Recht. Dieser Dickkopf, ich konnte gerade nicht fassen, dass ich etwas an ihm finden konnte.
Und mit diesem äußerst stolzen Gedanken wandte ich meinen Blick von ihm ab und lehnte mich prompt gegen den Fels hinter mir, die Arme vor der Brust verschrenkt und den Atem angehalten. Er wartete nur darauf, dass Jesroe ging, damit ich frustriert aufschreien konnte, wütend, zornig. Er wollte sich wohl nicht meinen Wünschen beugen. Mir recht. Diesen letzten Wunsch von mir, er solle verschwinden, würde er wohl doch freudig wahrnehmen, wenn dies alles der Fall war. Lauf kleiner Junge. Ich war wirklich wütend und ich konnte mich immer wieder bestens selbst davon überzeugen, dass ich Recht hatte. Sie alle waren gleich, kleine Schweine, es war besser sie mit dem Schwanz zwischen den Beinen davon kriechen zu lassen. Niemand war es wert augehalten zu werden, wenn er selbst wählte zu flüchten, oder? Aber genug dieser Gedanken, ich würde mit mit dem Stress, den ich mir selbst machte, noch frühzeitige Falten einheimsen. Und selbst wenn es ihm wohl egal wäre, es gab noch genug Männer, die ich gerne ohne Falten zermalmen wollte! Verdammt.
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Fast hätte ich losgelacht, als ich sah, wie Penny ihr Gesicht zu einer Grimasse verzog, welche eher zu einem kleinen Kind passte, welches die gewollten Süßigkeiten nicht bekommen hatte, als zu einer jungen Frau, die beleidigt spielte, weil jemand nicht so geantwortet hatte, wie sie es wollte. Doch ich tat es nicht. Solche Gefühlsausbrüche standen mir nicht sonderlich gut und es hätte auch keinen Sinn gehabt. Wahrscheinlich hätte ich sie dadurch beleidigt und das Lachen hätte sich unter größter Wahrscheinlichkeit hysterisch angehört als amüsiert. Ich hatte das Lachen wohl verlernt, auf jeden Fall konnte ich mir mich nicht mit einem Lachen vorstellen, welches ehrlich amüsiert war. Es wäre eher spöttisch, vielleicht sogar zynisch oder herablassend, aber nicht freudig, nein, das stand mir nicht. Also tat ich es auch nicht.
Ich musste nicht lange nach einer Antwort auf ihre nächsten – beleidigenden? – Worte suchen, die kam sofort. “Ich hatte nicht vor mein Leben in vollständigem Schweigen zu verbringen, dadurch bin ich hin und wieder gezwungen die ein oder andere leere Phrase zu sagen.“ Meine Stimme hatte wieder ihre übliche Monotonie angenommen, als wäre das keine Mensch mit Gefühlen, der das sagte. Allerdings war ich ein Mensch mit Gefühlen, doch sie waren versteckt, tief hinten, weiter hinten als je zuvor, so drangen sie nicht durch einfache Worte an die Oberfläche sondern erfüllten meine Worte mit ausdrucksloser Monotonie.
Penny sah man ihre Gefühle schon eher an, wie sie ihre Lippen zusammenpresste, wohl darauf bedacht sich unter Kontrolle zu haben. Ich hatte mich wieder unter Kontrolle und das war ein guter Gedanke. So konnte man wesentlich logischer denken und das hatte mit Sicherheit seine Vorteile. Ob mein Gegenüber die nächsten Worte so meinte, wie sie ausgesprochen waren konnte ich nicht sagen, da eindeutig Wut mit dabei war. Nein, darauf zu antworten lohnte sich wirklich nicht, denn egal was ich sagen würde, sie würde es sicherlich als Provokation auffassen und ich hatte eigentlich keine große Lust mich zu streiten. Ein Streit führte immer zu Gefühlsausbrüchen. Außerdem musste sich später immer einer entschuldigen, auch wenn eigentlich beide Seiten Schuld trugen. Ich für meinen Teil war nicht gut im Entschuldigen und ich hatte auch nicht vor, mich zu entschuldigen, doch Penny war sicher auch keine Person, die es liebte sich zu entschuldigen. Dadurch würde sich also niemand von uns entschuldigen und der Streit läge immer wieder zwischen uns, was unweigerlich zu keiner vernünftigen Unterhaltung führen würde. Das wiederum führte mich zu dem Schluss, irgendwie einzulenken und zu versuchen, den Streit aufzuhalten, bevor er wirklich ausgebrochen war. Keine leichte Angelegenheit. Einen Streitschlichterkurs hatte ich nie belegt, doch ich hoffte, dass das hierfür nicht nötig war.
Inzwischen hatte Eileen eine Haltung angenommen, die mir eindeutig signalisierte, dass sie keine Lust hatte, weiter mit mir zu reden. Am einfachsten wäre es jetzt wohl, einfach zu gehen, doch das würde ich nicht tun. Fing ich ein Gespräch an, so brachte ich das auch zu Ende und hier war noch lange kein Ende in Sicht. Langsam trat ich einen Schritt vor, so dass ich nur noch ein paar Zentimeter von ihr entfernt stand. Das war ja schon mal ein guter Anfang, doch was jetzt? Manchmal war es doch nicht so einfach, wenn man keine Ahnung hatte, wie man mit seinen Mitmenschen umgehen musste, um sie nicht zu beleidigen, doch daran konnte ich jetzt auch nichts ändern. “Ich hatte nicht vor, dir wehzutun, ich war nur völlig... überrascht.“ Und ich dachte immer, ich könnte mich nicht entschuldigen. Da hatte sie es, mehr wollte sie doch sicher nicht. Ich hatte mich entschuldigt – so mehr oder weniger. Ich hatte sogar zwischendurch gestockt, eine kleine Schwäche gezeigt. Jetzt war sie an der Reihe, irgendwas zu sagen. Vielleicht entschuldigte sie sich sogar, was ich allerdings nicht dachte, doch hoffen konnte man ja.
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Jesroes gedankliche Umschreibung meiner Person in diesem Moment traf den Nagel wohl so ziehmlich auf den Kopf. Ein kleines Kind, welches versuchte durch Beleidigtsein die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu lenken, vielleicht sogar Mitleid zu erwecken. Nur war mein Beleidigtsein aufrichtig und viel weniger gespielt, als es bei mir oftmals der Fall war. Ich war auch die Art Mensch, der mal eine Unterlippe anschwillen ließ, und feucht funkelnde Augen anwand, um etwas tröstendes in Empfang dafür zu nehmen. Aber heute, gerade in diesem Moment, zeugte alles in mir von einer wahren Bitterness, welche wirklich widerlich auf der Zunge schmeckte, und man wollte etwas ausspucken, obwohl man nur Speichel im Mund hatte, wie sonst auch immer. Es kam einem nur wie mehr vor, als normalerweise, und wirklich überschmeckender noch dazu. So ungefähr war dieser Blick, ohne irgendeine geschminkte Maske des Spieles. Ich gab es gerne zu, wenn ich in meinem Stolz und allem anderen verletzt war, ich hatte gelernt mit diesen Gefühlen ehrlich zu sein, geradezu brutal ehrlich gar, wenn jemand das mal nicht schnallte.
Aber Jesroe verstand das sicherlich. Ich zweifelte nicht an seiner Kenntisreicheite des menschlichen Gefühlsspektrums, selbst wenn er sich selbst daran schwer tat seine eigenen Gefühle zur Schau zu stellen. Irgendwo konnte man ihm für dieses Talent auch Lob entgegenbringen, selbst wenn es mir momentan so gar nicht in den Kragen passte. Ich war froh, dass niemand in der Nähe war, um mein Trotzanfall mitbekommen zu müssen. Sicherlich hätten welche gelacht und gesagt: "Au ja, typisch Eileen." Das konnte mich wiederum in die Wut jagen. Ich hasste es, wenn man mir sagte, dass ich mich typisch verhielt. Selbst wenn ich stolz auf meinen Stolz war und gut mit mir leben konnte, mit allen Gefühlsausbrüchen et cetera inklusive, ich konnte das Wort typisch bezogen auf meine Person zum Tode nicht ausstehen. So wie vielleicht manche sagen würden 'typisch Zicke' oder soetwas in der Art. Ich hasste es abgrundtief. Und deshalb war ich erleichtert, dass niemand hier war, um mitzuerleben, wie ich einen Koller bekam, wegen diesem infantilen Schönling, der wohl meinte, ich sei zu minhderwertig und nieder, um ein ernstes Wörtchen mit mir zu wechseln. Vermutlich dachte er noch, dass Frauen sowieso von nichts eine Ahnung hatten oder sonstetwas. Manche Männer... da konnte ich echt Stunden drüber brüllen, wie mich soetwas aufregte!
Vielleicht interprätierte ich mir da auch zu viel rein? Na und?! Erwartete er das nicht?!! Gerade wenn er so eine Antwort von sich geben konnte, wie die, welche er letztendlich von sich gab. Sie triefte nur so vor monotoner Gleichgültigkeit und einem Blick zu mir hinab. Ich konnte es einfach spühren. Und mit jeder Faser meines Körpers versuchte ich diese Arroganz zu erwiedern.
"Also-" Stockte ich vorwärts, weil mir gerade kein schnippisches Kommentar einfiel, aber ich dringend schnell etwas antworten wollte, und so unbeholfen aber trotzig sah ich auch halb an ihm vorbei als ich den richtigen Spruch suchte, "Ne-... I-... Schweigen ist gold" Beendete ich hastig, zuckte dabei zickig mit der Schulter, die Lippen für einen Moment herausgespizt, wie es sich für eine echte Diva gehörte, der Blick herablassend, als wäre er einer dieser Jahrgangslooser, die man höchstens ein Mal im Jahr eines Wortes oder Blickes würdigte, und dann auch nur vor allen Freunden auf sarkastischste, zynischste, ironischste oder fieseste Art, und manchmal auch alles zugleich, wenn das ging!
Auf diesen Spruch meinerseits wäre mir nur die Gegenrede "Welch besseren Rat zu folgen, als den eigenen?" eingefallen. Und ich konnte nur hoffen, dass er meine Gedanken nicht lesen konnte oder, dass der Spruch ihm zu dämlich war, als dass er antworten würde. Letzteres schien mir wahrscheinlicher, da er schließlich auch meinen anderen Spruch - bezüglich seines Mundes, den er halten sollte - dezent zu ignorieren wählte. So konnte meine Antwort, ungesagt, mit der Köperhaltung und dem tötenden Blick auch nur folgen. Ich konnte ihn nur ignorieren, wenn er mir schon nicht antworten wollte. Ich war also erleichtert, dass er mir tatsächlich nicht geantwortet hatte, denn dass hätte mein Abwenden noch bescheuert wirken lassen. Ich war es, die das letzte Wort haben wollte. Ich hatte doch immer das letzte Wort, wenn ich mich stritt. Ich stritt mich selbst bei einem verlorenen Fall bis zum bitteren Ende. Und selbst wenn es seltendst bekloppt wirken mochte. Ich hasste es unrecht zu haben und - bei Merlins Bart - ich zeigte das auch, so dass Leute sich gar nicht mit mir streiten wollten! Umso besser! Weniger Stress - wie gesagt - keine frühzeitige Faltenbildung. Schon die Vorstellung davon war mir unheimlicher als vieles, schrecklichstes magisches Ungetier.
Jesroe konnte doch nur weggehen, selbst wenn ein Fünkchen in mir hoffte, dass er trotz meiner verquerten Arroganz und hoffnungslosen Diva-ness, nicht locker lassen würde. Aber dieses Fünkchen wurde stark unterdrückt, schließlich hasste ein massiver Teil auch gerade viel zu viel an Jesroe, als dass dieser Teil dem kleinen, irritierenden Fünkchen nachzugeben gedachte. Und so war es also trotz der minimalten Hoffnung, dass jemand mein Eingeschnapptsein verstehen könnte, dass ich sehr überrascht war von seiner Reaktion. Er wandt sich nicht ab, antwortete nicht wütend, ich solle selbst meinen Mund halten, wurde nicht gewaltätig - ich konnte mir in meinem Zustand die verrücktesten und unpassendsten Reaktionen vorstellen - sondern kam näher heran, auf eine weniger bedrohliche und vielmehr behutsame Art und Weise, eine... eine Entschuldigung?!! Das ließ mich nun völlig perplex! Und wenn ich einen leidenschaftlich aufflammenden Kuss in aller Verrücktheit noch hätte empfangen können, DAS hatte ich irgendwie hier nicht erwartet. Und mir verflog alles zuvor, nur noch der Trotz und wenider das Beleidigdsein blieb übrig, neben dem völlig perplexen Ausdruck auf meinem Gesicht, der Mund leicht geöffnet, die Augen geweitet und eine - soweit dann noch möglich - ungläubig gerunzelte Stirn. Konnte das wahr sein?
Mir fehlte die Kraft ihn anzusehen, und so klappte mein Mund nur ein zwei Mal auf und zu wie der eines Fisches, felcher versuchte sich außerhalb des Wasser am Leben zu halten. Und so bescheuert wie das wiederum aussehen musste kam meine Antwort auch, "Wehtun?" Schwach und vermutlich gänzlich unüberzeugend spottend, obwohl ich versuchte Spott zu mustern, wo er doch mit aller wahren Wut geflüchtet war, "Al-... -so... Also darum geht es doch garnicht!" Trozte ich weiter und musste nun wirklich beleidigt spielen, um zu verbergen, wie überrascht ich war und wie es mir fehlte diese Information, er hatte sich entschuldigt, adäquat aufnehmen zu können, "Wieso machst du dir hier diese Mühe, wo du doch so scharf auf Smalltalk bist? Ich hasse Smalltalk!" Das alles klang sehr... man würde sagen, huffy, also halt eingeschnappt und empfindlich. So war ich gerade, dabei war ich doch auch heilfroh, dass er so geantwortet hatte. Aber lieber wollte ich - beschämt, weil er sich hatte trotzdem entschuldigen können, auf seine Art und weise - dass er nun doch ging und ich alleine brühten konnte, als einzusehen, dass ich nun auch irgendetwas zu sagen hatte, was nett war, wo ich doch so perfekt in meiner Wut gewesen war.
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‚Schweigen ist Gold’? Nun, immerhin war ihr etwas eingefallen, zuerst hatte es nicht so ausgesehen. Schließlich hatte sie einige Anläufe gebraucht, doch letztendlich hatte sie wohl doch etwas passendes gefunden. Obwohl es von ihrem Standpunkt aus vielleicht nicht ganz ins Konzept passte, aber es war egal. Dieser Aspekt unserer Unterhaltung war meiner Meinung nach eh schon lange vorbei. Also nahm ich ihre Worte nur mit einem Schulterzucken zur Kenntnis, sagte aber nichts darauf – Schweigen war schließlich Gold, oder etwa nicht? Auch sagte ich zu ihrem anschließenden Blick nichts, der mir wohl zeigen sollte, dass sie sich durchaus unter Kontrolle hatte. Dass es nichts zu bedeuten hatte, dass sie zuvor gestockt hatte. In meinen Augen sah es aus, als wäre das ein letzter Rest Trotz, der an die Oberfläche gelangt war. Als würde sie mir um jeden Preis verständlich machen wollen, dass sie dieser Situation gewachsen war. Vielleicht war sie es sogar, genau konnte ich das nicht sagen. Ich jedoch war der Situation bei weitem nicht gut gewachsen. Ich hielt mich gerade so an der Oberfläche, freute mich auf jeden kleinen Atemzug, den ich nehmen konnte. Und gerade hatte sie mir einen verschafft, ich sah in ihrer Geste eine kleine Schwäche. Ob sie wirklich eine war oder nicht, das wusste ich nicht, doch mir reichte es, um bei Atem zu bleiben.
Mit diesem neu gewonnenen Atem sah ich sie an, wartend, was kommen würde. Ich dachte mir keine Möglichkeiten aus, da würde ich wahrscheinlich falsch liegen, wie es meistens der Fall war. Außerdem würde es in meinem Kopf dann wesentlich zu viele ‚Vielleichts’ geben, die mich nur verwirren würden und das wäre in der jetzigen Situation wirklich nicht angebracht. Was würde es mir bringen, wenn ich so lange über eine mögliche Reaktion ihrerseits nachdachte, die wahrscheinlich sowieso nicht eintreffen wird, wenn ich genauso gut versuchen konnte, meine Gedanken zu ordnen, mich innerlich zu beruhigen und einfach versuchen besser zu schwimmen, damit ich länger über der Oberfläche bleiben konnte, um länger durchzuhalten, indem ich mehr Sauerstoff in meine Lungen pumpte? Bei diesem Vergleich war ich mir nicht ganz so sicher, ob er wirklich zutreffend war. Schließlich würde ein Nichtluftkriegen in einem Gewässer unweigerlich zum Tod führen, während ich hier im schlimmsten Fall für einige Zeit hinken würde, nicht aber ertrinken.
Ihre Reaktion kam dann doch irgendwann. Als erstes sah sie eher so aus, als würde sie ertrinken und nicht ich, dann fing sie sich doch wieder und wiederholte leicht spöttisch „Wehtun?“ Ich nickte nur. Ja, ich hatte es absichtlich als nichtrhetorische Frage aufgefasst, aus dem gleichen Grund wie ich hier alles tat: Luft. Dann kamen ihre nächsten Worte und ich wartete auf mein spöttisches Lächeln. In solchen Situationen lächelte ich für gewöhnlich spöttisch, nein, eigentlich würde ich schon fies lächeln, doch es kam nichts. Ich sah sie einfach nur ausdruckslos an. Ohne fieses, spöttisches oder sonstiges Lächeln. Wo war es? Wieso konnte ich mich nicht über sie lustig machen? Wieso freute es mich nicht, dass ich sie so aus der Fassung gebracht hatte, dass sie anfing, sich wie ein beleidigtes Kind aufzuspielen? Ich müsste lachen, das wusste ich, ich müsste schadenfroh sein, mich freuen, mich in ihrer Überraschung baden. Nein, ich tat es nicht. Weil ich sie doch irgendwie mochte? Ja, ich mochte sie. Doch wie sehr mochte ich sie, dass ich nicht einmal ein kleines Lächeln auf meine Lippen brachte?
Statt dessen sah ich sie einen Moment lang einfach nur an. Tat nichts, sah sie einfach nur an. Nicht einmal eine spöttische Bemerkung kam mir über die Lippen. Nichts. Rein gar nichts. Schweigen ist Gold. Schön und gut, aber was brachte mir Gold in diesem Augenblick? Nichts. Allerdings wollte ich hier jetzt etwas sagen, aber wenn mir nichts einfiel, was ich sagen konnte, dann tat ich etwas. Meist etwas, was mich später selbst überraschte, einfach deswegen, weil ich mit solchen Situation überfordert war. Langsam hob ich meine rechte Hand und berührte leicht ihre Wange. “Du siehst süß aus, wenn du dich aufregst.“ Na toll, was war das denn? Penny war sicher keine Frau, die es mochte, wenn man sie als süß bezeichnete, doch genau so sah sie jetzt aus. Meiner Meinung nach. Also hatte ich es gesagt, ohne darüber nachzudenken, was sonst nicht meine Art war, doch in letzter Zeit ertappte ich mich öfters dabei, dass ich etwas tat, was nicht meine Art war. Und diese ‚Vorfälle’ häuften sich, wenn sie in der Nähe war. Doch diesen Gedankengang wollte ich nicht weiterdenken. Meine Gefühle waren im Großen und Ganzen so weit hinter meiner Mauer, dass selbst ich sie manchmal nicht fand. Ich mochte sie, das war alles. Und sie sah wirklich süß aus, wenn sie sich aufregte.
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