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Komme von: Peppermint MacNulty
Der Gemeinschaftsraum war so gut wie leer. Alle waren auf dem Ball und amüsierten sich. Das Feuer im Kamin flackerte und warf abwechselnd Licht und Schatten auf mein Gesicht. Ich spürte es, obwohl ich meine Augen geschlossen hatte. Entspannt lehnte mein Kopf gegen die Sessellehne. Meine Füße hatte ich entspannt vor mir ausgestreckt und meine Hände lagen gefaltet auf meinem Schoß. Sie bildeten quasi ein Nest für mein Kniesel Chilli, das ebenfalls auf meinem Schoß lag. Sie schnurrte ein wenig und stieß mehrmals mit dem Kopf gegen meine Brust, bis sich meine linke Hand erbarmte und sie kraulte.
Eigentlich hatte ich auch auf den Ball gehen wollen. Aber da ich mich nicht getraut habe ein Mädchen zu fragen... Ok, ich hätte alleine gehen können. Hatte ich auch eigentlich vorgehabt. Eigentlich... Jetzt saß ich da, voll angekleidet in meinem „Festumhang“ Mum hatte ihn aus dem Secondhand laden, und vor zwei Jahren hatte ihn Dan noch getragen. Überall schaute der Saum heraus. Er war dottergelb, passend zum Haus natürlich. Ich fand viel mehr, dass es wie Kotzgelb aussah. Aber wirklich schämte ich mich nicht damit. Es wussten alle, dass wir nicht viel Geld hatten, und der best Bekleidete war ich natürlich eh nie. Aber so war es noch schwerer gewesen jemanden zu fragen. Zwar schämte ich mich nicht, aber jedes Mädchen hätte sich geschämt mit mir zum Ball zu gehen. Aber ob das nur an den Kleidern lag war auch fragwürdig.
Naja, jedenfalls war ich jetzt eben nicht dort. Sondern saß im Gemeinschaftsraum auf einem Sessel und streichelte Chilli. Auf dem Tisch vor mir lag mein Buch für Kräuterkunde. Ich hatte ein wenig die Nase hinein gesteckt, bis Chilli aufgetaucht war. Dann war es mim Lernen erst mal vorbei gewesen. Aber sobald sie ihre Streicheleinheit bekommen hatte, konnte ich ja auch weiter lernen. “Na Kleine? Ja gefällt dir! Fürsorglich liebkoste ich meinen Liebling. Dabei hob ich sie hoch und stupste mit meiner Nase gegen die von Chilli. Ein dankbares Schnurren belohnte meine Tat. Lächelnd betrachtete ich meine kleine Freundin. Chilli war wirklich das treuste Kniesel, dass ich je gesehen hatte. Und ich hatte sie unheimlich lieb. “Bist eben Beste!“
Etwas verlegen schaute ich zu meiner Schwester, die im Sessel neben mir am Feuer saß. Ich hatte ganz vergessen dass sie hier war, so sehr hatte ich mich mit Chilli beschäftigt. Aber im Gegensatz zu Jas, war Melissa der Zwilling, bei dem ich mir sicher sein konnte, dass sie mich nicht damit aufzog. Mich hatte es nur gewundert, dass sie nicht auch auf dem Ball war. Aber zu fragen traute ich mich nicht.
Eine Weile starrte ich etwas verlegen auf den Tisch. Ich wusste nicht was ich sagen sollte und eigentlich wollte ich auch nichts sagen. Melli war das zum Glück schon von mir gewohnt, sonst hätte dies sehr unangenehm enden können. Das war eben der Vorteil der Familie. Alle wussten bescheid und man musste nichts erklären. Es war eben einfach so.
Ich schrak aus meinen Gedanken hoch, als Chilli von meinem Schoß hüpfte. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Zufrieden nickte ich ihr noch nach und beugte mich dann vor, um mein Buch zum weiterlernen zu holen.
Etwas ungeschickt griff ich nach dem Buchrücken, so dass etwas zwischen den Seiten hervor viel und auf dem Boden landete. Als ich genauer hin sah, erkannte ich, dass es der letzte Brief von Mum und Dad war, den ich bekommen hatte. Vor einer Woche war er gekommen.
Ich seufzte kurz, dann legte ich das Buch wieder zur Seite und stand auf um den Brief, der in Mellis Richtung geflogen war, aufzuheben.
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Der Ball war wohl der große Event des Tages. Oder eher des gesamten Monats. Dennoch war ich hier. Hier, im Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs. Und warum? Das war nicht schwer zu erklären: Für mich waren große Menschenmengen nichts. Unter ihnen fühlte ich mich schnell verloren. Noch verlorener als ohnehin schon. Außerdem hatte ich niemanden gehabt, mit dem ich hätte hingehen können. Was sollte ich schon alleine in der großen Halle? Nichts. Deshalb hatte ich diesen Abend auch genauso gut irgendwo anders verbringen können - was ich ja jetzt auch tat. Gemütlich in den Klamotten, die ich so gern trug, wenn ich einfach nur herumsaß und nichts tat. So wie jetzt.
Mein Bruder Peppermint war auch mit von der Partie, obwohl er allem Anschein nach auch auf den Ball gehen wollte. Sein Festumhang war wirklich von einer sehr.. Interessanten und undefinierbaren Farbe, irgendwas zwischen gelb und ocker. Sah wirklich nicht besonders gut aus. Nur hatte ich Pepper noch nie sonderlich gut angezogen gesehen. Er hatte einfach - sagen wir - seinen eigenen, eigenwilligen Stil, den allerdings keiner beanstandete. War ja immerhin seine Sache, wie er herumlief. Meine Blicke aus dem Augenwinkel trafen jetzt auf Chilli, seine Katze. Er redete auf sie ein und ich fragte mich, ob er wirklich glaubte, dass die Katze etwas davon mitbekam. Vielleicht glaubte er das ja und redete deshalb mit ihr. Doch selbst für einen normalen Menschen klangen die Sätze - oder eher vermeintlichen Sätze - doch schon ziemlich komisch und vor allem nicht vollständig. Nein, auch ich hatte nicht die beste Art mich auszudrücken, aber dennoch schaffte ich es meistens noch, ganze Sätze rüberzubringen. Ja, in der Tat, ich konnte ja auch in vollständigen Sätzen denken, warum sollte ich mich also nicht mit ihnen artikulieren können? Nun ja, aber wenn man eben in einer solcher Chaos-Familie aufwuchs, dann war es eigentlich schon mehr verwunderlich als normal, keinen Schaden davon getragen zu haben. Deshalb nahm ich ihm das überhaupt nicht übel, dass er immer so seltsam daherredete.
Nun traf mich Peppers verlegener Blick und ich lächelte ihn einfach nur stumpf an. Wie immer. Worte musste es nicht zwingend zwischen uns reden, denn irgendwie verstanden wir uns auch stillschweigend. Mit anderen wäre es sicher unglaublich blöd gewesen, einfach nur so dazusitzen, den anderen zu beobachten oder Löcher in die Luft zu starren, aber hier ging das schon in Ordnung. Generell fühlte ich mich in Peppers Gegenwart recht wohl, weil er einfach still war und mich meistens in Ruhe ließ, wenn ich mal wieder so einen Anfall von Blödsinn - oder eher Schwachsinn - hatte. Grinsend schaute er Chilli nach, als sie von seinem Schoß sprang und griff dann nach einem Buch. Okay, ihm beim Lesen zuzusehen war nicht sonderlich ergiebig, deshalb wandte ich meinen Blick wieder von ihm ab und widmete mich nun meinerseits dem Strickzeug, welches in meinem Schoß verweilt hatte. Wenn es draußen beständig kälter wurde, tat man eben gut daran, wenn man einen schönen Schal hatte. Gelb und schwarz sollte er werden, einfach nur gestreift. Komplizierte Sachen konnte ich nicht stricken, dazu war ich schon zu schnell zu unkonzentriert, weshalb ich es gar nicht erst versuchen musste.
Ich hatte grade eine Masche gehoben und mit dem Rest verknüpft, da hörte ich etwas auf den Boden fallen. Mein fachmännischer Blick enttarnte das Papier, welches da lag als einen Brief. “Du solltest ihn beantworten.”, kommentierte ich, als Pepper auf mich zukam, um den Zettel wieder aufzuheben und vermutlich dahin zurückzutun, wo er hergekommen war - in sein Buch. Um ihn wahrscheinlich wieder zu vergessen und nicht weiter darüber nachzudenken. Doch war es wichtig, Briefe zu beantworten. Da ich nicht wusste, von wem mein kleiner Bruder Briefe bekommen sollte, nahm ich an, dass es einer von zu Hause war. Wenn man schon so weit von zu Hause weg war, sollte man wenigstens den Kontakt so aufrecht erhalten. Es reichte ja schon, wenn er ein paar Zeilen schrieb, das stimmte unsere Eltern immer schon milde. Kurz kraulte ich Chilli im Nacken, da sie um den Sessel, auf dem ich saß, herumscharwenzelte, warf noch einen letzten Blick auf Pepper, ehe ich dann mit dem Stricken fortfuhr. Sonst würde ich ja nie vor Einbruch des richtigen Winters damit fertig werden…
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Komme von: Dandelion MacMulty
Es hatte mich gefreut, dass an diesem Abend ein Ball stattfand. Was nicht daran lag, dass ich so furchtbar gerne dort auftauchen würde. Das Beste war, dass wohl alle – oder zumindest die meisten – sich gerade in der Großen Halle tummelten. Ich jedoch streifte durch die Gänge und genoss die Ruhe, die mich umgab. In der letzten halben Stunde war ich niemandem begegnet. Doch, einem kleinen Mädchen aus Gryffindor, die um diese Uhrzeit wohl eigentlich gar nicht mehr auf sein durfte. Die Frage, ob ich sie bei einem Lehrer anschwärzte, hatte nur allzu deutlich in ihrem Blick gestanden. Für wen hielt sie mich eigentlich? Nun, wahrscheinlich kannte sie mich gar nicht, ich hatte sie schließlich auch nicht gekannt. Deswegen hatte ich ihr nur mit einem schrägen Grinsen zu verstehen gegeben, dass sie sich keine Sorgen machen musste und war weiter gegangen. Genau genommen war ich auch gar nicht stehen geblieben.
Da ich nun jedoch schon eine gute Dreiviertelstunde durch die Gänge lief, erfasste mich allmählich die Langeweile. So gerne ich auch alleine war und meine Ruhe hatte. Wenn man so lange nur Stein sieht, dann regt einen das doch irgendwann auf. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr entschloss ich mich also dazu, in den Gemeinschaftsraum zurückzugehen. Dort war nun wahrscheinlich niemand mehr und mit einem guten Buch würde der Abend wohl doch noch interessant werden. So nahm ich die nächste Treppe nach unten und hatte sogar das Glück, dass diese wohl nicht das Bedürfnis verspürte, sich in eine unerwünschte Richtung zu verschieben. Manchmal musste man eben auch Glück haben.
Schon einige Minuten später sprach ich das Passwort und betrat den Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs. Es lief wohl doch nicht ganz so gut, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Gemeinschaftsraum war leer. Nun, nicht ganz. Pepper und Mel waren anwesend. Doch das war noch ganz in Ordnung. Mit Mel war ich schon immer gut zurechtgekommen und Pepper konnte man auch ganz gut aushalten. Schlimmer wäre es gewesen, wäre ich hier auf Jas und Hazel getroffen, dann wäre der Abend wohl zu einem Alptraum geworden. Doch so konnte ich noch ganz gut leben. Dennoch nickte ich den beiden nur zu, während ich an ihnen vorbei ging, um mein Buch aus dem Schlafsaal zu holen. Kurz überlegte ich, ob ich nicht lieber dort lesen sollte, doch im Gemeinschaftsraum war es wesentlich gemütlicher, so dass mir die Entscheidung nicht wirklich schwer fiel.
Kurz darauf ließ ich mich auf einen Sessel in der Nähe des Kamins fallen. “Was solltest du beantworten?“, fragte ich Pepper, der in meinem alten Festumhang – oder wie man das Ding sonst bezeichnen konnte – nicht gerade ein stolzes Bild bot. Glücklicherweise musste ich es nicht mehr tragen. Eigentlich konnte ich mir meine Frage auch selbst beantworten, als ich den Zettel in seinen Händen sah, doch da ich zuvor nur Mels Worte gehört hatte, war die Frage schneller draußen gewesen als gedacht. Nun, egal. Er würde mir antworten und ich konnte mich anschließend in mein Buch vertiefen. So bemerkte ich auch recht zufrieden, dass mein Bruder wohl auch vorhatte, etwas zu lesen und Mel sich ihrem Strickzeug widmete. Stricken. Nun, wem es gefiel…
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Vielleicht hätte ich doch zum Ball gehen sollen. Ok, ich hatte zwei absolut linke Füße. Oder besser ich hatte linkere als linke Füße. Und über meinen Umhang konnte selbst ich Modemuffel mich den ganzen Tag auslassen. Aber trotzdem hätte es sicher Spaß gemacht dem Treiben etwas zuzusehen. So von der Seite. Nein, ins Getümmel hätte ich mich sicher nicht gestürzt. Aber ich beobachtete gerne Menschen, wenn sie Spaß hatten. Es war, als hätten sie für mich mit Spaß. Und das reichte mir völlig.
Aber da ich wohl eh nicht ging, konnte ich mich genauso gut umziehen. Während ich Chilli nebenbei streichelte sah ich zur Türe von meinem Schlafsaal. Aber wollte ich wirklich nicht zum Ball. So ganz sicher war ich mir noch nicht. Also blieb ich sitzen und beschäftigte mich weiter mit meinem Kniesel.
Vorsichtig hob ich Chilli hoch. Ich zog ein Leckerli aus meinem Umhang. Mit meinem eigenen Mund hielt ich meiner Süßen den Keks hin. Ein lächeln huschte über mein Gesicht, als sich ganz vorsichtig die kleine Zunge näherte. Auch wenn das kaum einer glauben mag, Chilli war immer sehr vorsichtig dabei, als hätte sie angst mir weh zu tun. Sie berührte mich ja auch gar nicht dabei.
Mein Blick traf verlegen auf meine große Schwester. Sie lächelte mir entgegen und sofort wusste ich, dass sie es überhaupt nicht schlimm oder seltsam fand wie vertraut ich mit meinem Kniesel umging. Ich entspannte mich. So war das eben unter Geschwistern. Und so konnte ich mich in Ruhe zurücklehnen. Mein Kopf schlug auf dem Sessel auf.
Eine Weile ruhte mein Blick noch auf Melli, auch sie schien diese Atmosphäre angenehm zu finden. Das freute mich irgendwie. Ich wollte immer, dass es allen meinen Geschwistern gut ging.
Dann wandte ich mich meinem Buch zu. Oder wollte es zumindest. Doch der Brief meiner Eltern kam wohl dazwischen. Sofort ermahnte mich meine Schwester ihnen zu antworten. Ich überlegte, ob ich wirklich gleich antworten sollte. Ich hatte eigentlich vorgehabt mit Hazel zusammen zu schreiben, aber die würde wohl nie Zeit finden sich einmal still hin zu setzen. Aber Mum und Dad würden sich sicher über einen Brief von uns beiden freuen. Wo Hazel doch so selten schrieb.
Melli beugte sich vor um mir den Brief wieder zu geben. Ich streckte ihr die Hand entgegen, um es ihr leichter zu machen. Doch eine mir wohl bekannte Stimme lies mich zusammen zucken. Und auch meine Hand hatte ich zurück gezogen.
Es war Dandelion, der diese Unruhe in mir auslöste. Ich verkroch mich in die hinterste Ecke meines Sessels. Trotzdem wäre ich nie aufgestanden. Dan hatte für mich etwas faszinierendes. Auf der einen Seite, hatte ich unheimliche Angst vor ihm, aber irgendwie konnte ich nicht so richtig von ihm lassen, auch wenn ich mich meistens Zwang ihm aus dem Weg zu gehen. Nervös sah ich ihn ganz kurz an, ohne ihm eine Antwort auf seine Frage zugeben. Sicherlich würde Melli dies für mich übernehmen, oder er hatte es längst schon selbst gesehen.
Um mich etwas verstecken zu können, nahm ich wieder mein Buch, schlug es auf und zog es bis unter die Nase.
Dabei viel mir erst etwas später auf, dass ich es verkehrt herum hielt. Aber das war nichts ungewöhnliches für mich. Ich war immer so, wenn mein Bruder in der nähe war. Zumindest am Anfang, wo ich ihn noch bewusst war nahm.
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Ich genoss die Momente der Stille zwischen Pepper und mir immer sehr. Er war einfach ein angenehmer Bruder, wenn auch ein wenig schusselig und oftmals wortkarg. Aber verwunderte es einen bei solch einer großen Familie? Mich tat es nicht wundern, denn wenn man es recht bedachte, so war man nicht weiter überrascht, wenn jeder so seine Macke hatte. Oder ein Mensch nur aus Macken bestand. Verbeult und verbogen, und vielleicht nicht ganz dicht, aber auf jeden Fall ziemlich liebenswert - das waren die MacNultys. Zumindest in meinen Augen. Was andere dachten war ja eher unwesentlich. Ich konnte gar nicht wirklich meine Gedanken zu Ende führen, denn lange hielt die ‘traute Zweisamkeit‘ nicht an, bald betrat auch Dandelion den Gemeinschaftsraum, was mich allerdings nicht weiter verwunderte. Er war mein Lieblingsbruder und ebenso lieber für sich alleine und nicht auf irgendwelchen Festen, wo viele Leute waren und man übertrieben freundlich miteinander reden musste. Eine Begrüßung sparte sich Dan allerdings, denn er hatte wohl noch beim Hereinkommen aufgeschnappt, dass ich gesagt hatte, Pepper sollte ihn beantworten. Also den Brief, von dem ich glaubte, dass er von unseren Eltern war. Eigentlich hätte ich auch mal wieder etwas schreiben können, aber ich wusste nichts zu berichten, da hier in Hogwarts eigentlich alles beim Alten war.
Ich machte eine abwehrende Geste. “Den Brief sollte er beantworten. Von zu Hause.” War ja eigentlich keine große Sache, aber Geschwister interessierten sich immer brennend für die Dinge, die mit ihren anderen Geschwistern zusammenhingen. Ich währenddessen interessierte mich grade nur für mein Strickzeug, sah zu, dass ich keine Masche vergaß und auch brav am Rand immer so strickte, dass es nicht enger oder lockerer wurde. Ich war keine begnadete Strickerin, aber ich schaffte es immerhin, dass es gut aussah. Die Schals waren auch vor allem tragbar und auch vorzeigbar, wenn sie erst einmal den letzten Schliff erhalten hatten. Mit Jas und Hazel als Schwestern hatte ich auch keine Konkurrenz denn die beiden interessierten sich zweifelsfrei für andere Sachen. Und die Jungs…? Die würde selbst ich für vollkommen verrückt erklären, wenn sie damit anfangen würden.
Mein Blick wanderte zwischen meinen beiden Geschwisterkindern abwechselnd hin und her und ich fragte mich, ob vielleicht noch mehr MacNultys hier aufkreuzen würden. Überhaupt… wo war Hazel, Peppers Anhang? Es war ungemütlich draußen und Hazel würde bestimmt nicht dort sein. Und beim Ball? Meine Augen wanderten erst jetzt zum Fenster hin und ich betrachtete kurz die vorbeiziehenden Wolken. Düster und ungemütlich, ja eindeutig. Da war es doch viel angenehmer, hier vor einem schönen Kaminfeuer zu sitzen und familiäre Gesellschaft zu haben. Nur konnte ich wohl kaum von Dan und Pepper erwarten, dass ich sprechen würden. Pepper las - oder gab vielleicht auch nur vor zu lesen- und Dan tat wohl das gleiche. Ich strickte. Einen Schal ohne Muster. In einer Farbe. Vielleicht würde am Anfang und am Ende ein breiter Streifen von anderer Farbe sich gut machen. Nun ja, das könnte ich später immer noch dran bauen. Ich legte das Strickzeug für einen Moment zur Seite und ließ meine Finger knacken, die sich immer so leicht verspannten, wenn ich die ganze Zeit die Nadeln halten musste. “Wo ist der vermeintliche Rest?”, fragte ich und nahm das Strickzeug wieder in die Hand.
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Es hätte wirklich schlimmer sein können. Wäre dies der Fall gewesen – was so viel hieß, wie wenn Hazel, Jas oder auch Cardy hier gewesen wären – dann wäre ich mit Sicherheit nicht mehr hinunter in den Gemeinschaftsraum gegangen. Dann wäre ich im Schlafsaal geblieben und hätte es mir dort gemütlich gemacht. Da aber Melissa und Pepper hier waren, war das kein Problem. Melissa war so oder so diejenige meiner Geschwister, in deren Umgebung ich es am längsten aushielt und Pepper gehörte auch zu denen, die mich nicht die ganze Zeit nervten. Was mich an ihm am meisten störte, war, dass er augenscheinlich Angst vor mir hatte. Auch jetzt, wo ich ihn wohl mit meiner Frage reichlich erschreckt hatte. Er flüchtete sich geradezu in seinen Sessel und hinter sein – verkehrt herum haltendes – Buch. Leicht verärgert runzelte ich die Stirn. Wieso hatte er eigentlich Angst vor mir? Gut, ich war nicht immer der nette große Bruder, der auf seine kleinen Geschwisterchen aufpasste, aber war ich so schlimm?
Doch die Frage stellte ich nicht laut, sondern versuchte mich stattdessen in einem aufmunternden Lächeln, welches wohl nicht ganz klappen wollte. Ich wusste wirklich nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, so ließ ich es also erst einmal ganz bleiben und verschwand ebenfalls hinter meinem Buch. Erst da fiel mir ein, dass ich vor drei Wochen ebenfalls einen Brief von Mum und Dad bekommen hatte. Das hatte ich wirklich vergessen, verdammt. Den sollte ich wohl auch beantworten, ehe sie sich noch zu große Sorgen machten. Allerdings nicht jetzt. Zum ersten müsste ich dafür aufstehen, Pergament, Feder und Brief holen und mich dann auch noch konzentrieren und außerdem würden dann Pepper und Melissa das merken. Eigentlich sollte das zwar nichts sein, wofür man sich schämen musste, doch wenn sie auf das Datum sehen würden, dann wäre mir das doch leicht peinlich. Normalerweise beantwortete ich die Briefe immer recht zügig, einfach, um nicht dauernd daran denken zu müssen und zudem hasste ich es, etwas vor mir her zu schieben.
Erst Melissas Antwort auf meine Frage – an welche ich ehrlich gesagt schon gar nicht mehr gedacht hatte – ließ mich wieder aufsehen. Ich nickte leicht in ihre Richtung, ehe ich wieder zu Pepper sah. Die Worte, dass er den Brief wirklich beantworten sollte, sparte ich mir. Er wusste das mit Sicherheit selber ebenso gut und zudem war ich mir nicht sicher, ob ich ihm dann wieder irgendwie Angst machte. Das hatte ich echt nicht gewollt. Ich konnte mich auch gar nicht mehr wirklich an den Auslöser erinnern. Doch wahrscheinlich war das schon egal, irgendwie war es ja immer schon so gewesen, auch wenn ich das gerne ändern würde. Allerdings war ich wohl nicht allzu gut in solchen Dingen. Ich konnte eher die Probleme anderer lösen als meine eigenen. Vielleicht sollte ich Hazel irgendwann man darauf ansetzten, Pepper die Angst vor mir zu nehmen, allerdings war ich mir gar nicht so sicher, ob sie das überhaupt wollte und zudem war es auch zweifelhaft, ob sie dafür einen – meiner Meinung nach – guten Weg wählen würde. Sie würde wahrscheinlich eher mit dem Kopf durch die Wand wollen, das war allerdings nicht ganz mein Ding. Vielleicht sollte ich auch wen anders darauf ansetzen. Nur wen?
Mein Blick wanderte wieder zu meiner Schwester, als diese mit ihrer Strickerei kurz innehielt und mir einen Schauer durch den Rücken jagte, als sie ihre Finger knacken ließ. Das Geräusch konnte ich echt nicht vertragen. “Das ist nicht gut für deine Knochen“, meinte ich deswegen leise, auch wenn ich nicht wirklich an irgendeine Wirkung dieser Worte glaubte. Sie würde es wohl trotzdem immer wieder machen. Das war eine dieser Sachen, die man immer wieder tat, egal ob man es wollte oder nicht. Wahrscheinlich hatte das was mit dem Unterbewusstsein zu tun. Oder so in der Art. Wirklich auskennen tat ich mich mit so etwas ja nicht gerade. “Der Rest?“ Ich zuckte mit den Schulter und wandte mich wieder meinem Buch zu. “Keine Ahnung. Wahrscheinlich das Tanzbein schwingen, Unsinn anstellen oder Madam Pomfrey damit nerven, dass man gegen Halloween allergisch ist.“ Nun, wen ich damit meinte war ja wohl eindeutig. Parsley war nun mal so und das machte mich manchmal echt wütend. Nicht wirklich auf ihn. Auf was wusste ich gar nicht. Er stellte sich einfach nur an und manchmal hatte ich wirklich Angst, dass er wirklich, wirklich mit allem glaubte, dass er immerzu krank war und nicht einmal ein ganz klitzekleiner Teil in ihm wusste, dass er im Grunde gesund war. Irgendwie gruselig. Weswegen ich es nicht lassen konnte, ihn dauernd irgendwie zu ärgern. Aber der Junge musste einfach irgendwie an mehr Selbstbewusstsein kommen und wenn man ihn bemuttern würde, dann würde das mit Sicherheit nur noch schlimmer werden.
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