Komme von: Entführung
…88, 89, 90, 92… verdammt, 91 oder? Wieder war ich total durcheinander! Ja, ich hatte eine tolle Taktik, was das Verlaufen betraf und sie würde sicher prima funktionieren, würde ich mich nicht ständig verzählen. Es ging dabei darum Fliese für Fliese zu zählen, um dann –falls ich mich entschließe zurückzugehen– genau dorthin zurückkehren zu können, wo ich angefangen hatte zu zählen. Aber irgendwie drängte sich mir immer wieder der Verdacht auf, dass dieses Zählen absolut sinnlos und eher aus Langeweile entstanden war, um sich die Zeit zu vertreiben. Ich hörte auf zu zählen. Das war ja absolut dämlich!
Dämlich??? Hallo!? Du als Mädchen benutzt so ein Wort??? ,meinte meine innere Stimme entrüstet, im ersten Moment, war mir jedoch vollkommen schleierhaft, wovon sie sprach. Dann jedoch dämmerte es mir. Herr… herrlich. Dame… dämlich!? Verdammt nochmal!? Ich war mit diesem Wort aufgewachsen, obwohl es frauenfeindlich war! Ich hasste frauenfeindliche Ausdrücke und nun übermannten sie mich gerade zu. Sagten nicht alle immer wieder „Schüler“? Schon wieder war ich mit den Gedanken total abgeschweift und schon wieder, war mir nicht klar, wo ich eigentlich lang gegangen war. Als ich mich jedoch umsah, erkannte ich mit Erleichterung die Bilder wieder und wusste genau, wo ich langzugehen hatte.
Schon nach kurzer Zeit stand ich vor dem Portrait der fetten Dame. Rätselnd schaute ich sie an.
“Na los!“ ,giftete sie mich an. Weiterhin schaute ich sie einfach nur an. Dann machte sich leichtes Beschämen auf meinem Gesicht breit.
“Nein! Ohne Passwort kann ich dich nicht durchlassen!“ ,nahm sie mir gleich Antwort auf meine Frage vorweg.
“Aber ich habe es schon wieder vergessen!“ ,quengelte ich. Doch die fette Dame schien kein Erbarmen zu zeigen:
“Du kennst die Regeln, Kind. Ich kann nichts tun, ständig vergisst du das Passwort…“ Enttäuscht schaute ich sie an. Ich konnte es mir einfach nicht merken. Ich glaubte aber dass es irgendein Vogel war, oder?
“Flamingo?“ ,riet ich. Mit einem Schütteln des Kopfes erwiderte die Portraitdame:
“Du hast ein Gedächtnis wie ein Sieb…“. Schon fast mürrisch starrte ich sie an.
“Du weißt genau, dass ich da rein darf!“ ,meinte ich missmutig. Die Dame jedoch gab keine Antwort mehr. Unglücklich schaute ich mich um. Niemand weit und breit. Mit einem Seufzen ließ ich mich also nieder, darauf hoffend, dass bald jemand vorbeikäme.
“Sarah!“ ,rief mich eine Stimme und langsam öffnete ich meine Augen.
“Lizzy?“ ,fragte ich benommen und schaute in die Augen meiner Freundin. Jahrelang hatte ich sie nicht gesehen und so trieb es mir geradezu Tränen in die Augen sie mir nun gegenüber stehen zu sehen.
“Was machst du denn hier?“ ,kam es aus mir hervor. Sie schüttelte leicht den Kopf und sagte mit sanfter Stimme:
“Das Ende ist nah, das Ende ist nah. Bringe es zu Ende, bringe es zu Ende!“ Verwirrt starrte ich sie an.
“Bist du wirklich hier?“ ,fragte ich misstrauisch.
“Nein, Sarah. Aber reden werde ich trotzdem: BRINGE ES ZU ENDE, WAS DU BEGONNEN HAST!!!“ ,begann sie zu antworten und schrie am Ende. Vor Schreck kniff ich die Augen zusammen und als ich sie wieder öffnete, war Lizzy verschwunden.
“Kind, du bist eingeschlafen… Sieh, da hinten kommt eine Gryffindor“ ,meinte die fette Dame ein wenig mitleidig. Irritiert suchte mein Blick den Flur ab und als ich die 4.Klässlerin entdeckte, erhob ich mich und schaute sie verlegen an.
“Das Passwort wieder?“ ,fragte sie leicht genervt, woraufhin ich ihr mit einem stillen Nicken folgte, als sie der Dame dieses nannte. Phönixfeder!
Schnell hastete ich durch den Gemeinschaftssaal zu den Schlafsälen. Ich war nicht sehr scharf darauf, auf die vielen Wesen dort zu treffen. Im Schlafsaal angekommen, machte ich mich sofort fürs Bett fertig und kuschelte mich in die warme Decke. Nachdenklich starrte ich mein Tagebuch, welches auf dem Nachttisch lag an. Es schrie geradezu nach einem Eintrag. Ich sollte zumindest die Begegnung mit Lizzy eintragen, oder? Aber was wollte sie mir mitteilen? Verunsichert lag ich da. Worte einer so nahen und vermissten Freundin saßen tief. Was hatte sie mir mitteilen wollen? Zögerlich griff ich nach einem Stift und dem Tagebuch.