Nach einigen morgendlichen Gesprächen mit nervösen Erstklässlern und Arne hatte ich es schließlich geschafft, letzte Dinge vor dem beginnenden Unterricht zu beenden. Unter anderem die restlichen Hausaufgaben, welche ich dem nun 2. Jahrgang aufgetragen hatte, zu kontrollieren. Leider war ich noch nicht früher dazu in der Lage gewesen, da neben meinen Tätigkeiten als stellvertretende Schulleiterin auch diverse andere Pergamentrollen von weiteren Schülern korrigiert werden mussten. Doch letztendlich hatte ich mit Meredith Abany’s Hausaufgabe meine Arbeit beendet und hatte ein erfreutes Gefühl, da sich der Großteil der Klasse wirklich Mühe gegeben und es nicht nur lax in den Ferien hingepinselt hatte. Leider traf es nicht immer auf alle Schüler zu, doch Ausnahmen bestätigen bekanntermaßen die Regeln. Vielleicht würden diese Jungen und Mädchen mit ihren geübten Zaubersprüchen ihre schlechte Hausaufgabe wieder wettmachen, was ich jedoch stark bezweifelte.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf öffnete ich die alte Tür meines Büros, welche sich anschließend nach meinem Durchtreten wie aus Geisterhand wieder schloss. Anders war man es in Hogwarts auch nicht gewohnt, wo das Wort „Geist“ eine realistischere Bedeutung als in der Muggelwelt hatte. Nur für einen kurzen Augenblick sah ich gewohnheitsgemäß den langen mit Marmor verzierten Korridor entlang, ehe ich mich in Bewegung setzte. Der Nachteil an meinem Büro war die Lage im Schloss, da ich so täglich mehrere Treppen hinabsteigen musste, um zu meinem Klassenraum und die Große Halle zu gelangen. Aber mit der Zeit gewöhnte man sich selbst an solche Kleinigkeiten. Hinzu kam natürlich, dass ich noch keine 60 Jahre alt war und meine Kondition zumindest diesen Weg zuließ. Bei anderen Dingen konnte ich aufgrund meiner mangelnden Sportlichkeit nicht mithalten. Ja, dieses Thema versetzte mir jedes Mal von Neuem Kopfschmerzen, sodass ich mit Vergnügen diese Gedanken in den Hintergrund meines Kopfes verbannte. Manchmal, wenn ich die Kinder beim Quidditch beobachtete, erinnerte ich mich an meine Schulzeit zurück, in welcher ich die Mitschüler immer beneidet hatte. Leider hatten mich meine Eltern nicht mit Talent für diese Art von Sport ausgestattet.
Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Jetzt war mir meine fehlende Sportlichkeit egal, doch damals sah dies anders aus. Es war doch immer aufs Neue interessant, wie sich die Dinge im Laufe des Erwachsenwerdens änderten. Mit noch immer leicht gehobenen Mundwinkeln machte ich mich mit langsamen Bewegungen meiner Füße und wehendem Umhang auf den Weg zu meinem Klassenraum. Meine Schritte hallten beim Aufsetzen der Sohlen auf dem Marmorboden an den jahrhunderte alten Wänden wieder und ließen damit die Vertrautheit zu diesem Schloss inniger werden. Erst beim Durchschreiten von Hogwarts merkte man, wie bekannt einem alles vorkam und man dennoch nicht einmal annähernd alle Geheimnisse kannte. Jeder Tag konnte trotz dieser Vertrautheit Überraschungen mit sich bringen, die einem mit dem Schloss noch enger zusammenwachsen ließen.
Ein kurzer Seufzer und ein Kopfschütteln brachten mich in die Realität zurück, gerade in dem Moment, in dem ich in den Korridor mit den bewegenden Treppen trat. Hier durfte man eindeutig nicht träumerisch sein, sonst würde man nie den angestrebten Ort erreichen. Glücklicherweise hatte meine Treppe momentan nicht das »Verlangen« mich zu ärgern, sodass ich schon nach kurzem mein Klassenzimmer in der ersten Etage gefunden hatte. Leicht knarrend öffnete ich die Tür und trat in den noch leeren und ruhigen Raum, welcher sich in den kommenden Minuten mit schwatzenden Schülern füllen würde. Einen kurzen Augenblick blieb ich stehen, um den Zustand des Verwandlungsraums zu begutachten und wurde wie immer mit der üblichen Ordnung begrüßt. Das war wohl der Vorteil daran, dass man bereits vor den Ferien alles an seinen richtigen Platz stellte. Mit diesem Gedanken näherte ich mich meinem Schreibtisch und hörte im Hintergrund die Tür sanft ins Schloss fallen, während ich mich auf meinem Stuhl niederließ. Jetzt musste ich noch die entsprechenden Unterrichtsmaterialien auf den Bänken verteilen, um den geübten Zauberspruch bei jedem Schüler kontrollieren zu können. Somit folgen durch einen Schlenker meines Zauberstabs ein Duzend Schachteln, in welchen sich jeweils ein Käfer befand, aus einem naheliegenden Schrank auf jede Bank. Mit einer weiteren Bewegung erschienen Pergamentrollen auf meinem Tisch, auf welchen die Schüler ihre Hausaufgaben geschrieben hatten. Mit dieser letzten Tat war ich letztlich gewappnet für den nun folgenden Unterricht.
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