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Komme von: Geschichte der Zauberei, Freitag, 3. September
Ich zog einmal scharf die Luft ein, als unsere Köpfe zusammentrafen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Natalia hatte nicht so gewirkt, als würde sie sich großartig Gedanken um den Deckel machen, dass sie sich dann doch nach ihm bückte überraschte mich – nicht nur am Kopf. Wenn das den ganzen Tag nun so weiter gehen würde, hatte ich heute Abend mit Sicherheit Kopfschmerzen. Erst flog mir ein Tintenfassdeckel an den Kopf, dann stieß er auch noch mit Natalias zusammen. Und das innerhalb von wenigen Minuten. Da blieb wirklich nur zu hoffen, dass das nicht so weiter ging.
“Tschulligung.. war keine Absicht..“ Als würde ich ihr nicht ganz glauben zog ich eine Augenbraue hoch. Natürlich war mir klar, dass es keine Absicht gewesen war, aber sie hatte doch damit angefangen, Blödsinn zu machen. Da konnte ich sie jetzt auch ein wenig ärgern. Also blieb meine Miene ungläubig. “Gut.“ Davon durfte sie dann halten was sie wollte. Aus meinem Gesicht würde sie keine Antwort erhalten, unter anderem deswegen, weil ich mich abermals hinunterbeugte, um den Deckel aufzuheben. Vorher jedoch sah ich sie noch einmal etwas übertrieben misstrauisch an. Man konnte ja nie wissen, ob sie nicht wieder die gleiche Idee hatte wie ich.
Doch das hatte sie wohl nicht. Erfolgreich fischte ich den Deckel vom Boden und schraubte ihn auf das Fässchen. Es dauerte nicht lange und schon war der Unterricht vorbei. Wirklich komisch, wie schnell die Zeit verging, wenn man mit irrsinnigen Dingen beschäftigt war. Darauf konnte ich nur die Schultern zucken und begann meine Sachen zusammenzusuchen. Ich stand auf und bevor ich den Raum verließ nickte ich Natalia noch einmal zu. Anschließend ging ich Richtung Große Halle. Zwar wusste ich noch nicht, was ich dort machen sollte, aber mir würde sicher irgendetwas einfallen. Ich hatte genug Zeit zum Überlegen, allein aus dem Grund, weil ich recht langsam lief.
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Komme von: Geschichte der Zauberei, Freitag, 3. September
Jes wirkte ebenfalls etwas überrascht und ich hörte, wie er die Luft zwischen seinen Zähnen einzog, als sich unsere Köpfe trafen. Als Antwort auf meine Entschuldigung erntete ich eine hochgezogene Augenbraue. Glaubte er mir etwa nicht? Das war jawohl die Höhe! Leichte Empörung machte sich in mir breit. Ich würde ihn nachher fragen.. “Gut.“, meinte der Slytherin und nun war es an mir eine Augenbraue hochzuziehen. Ich versuchte aus seiner Mimik schlau zu werden aber es wollte mir nicht gelingen. Sein Gesicht blieb weiterhin ausdruckslos. Ich fragte ich langsam wie er das schaffte. Mir kam der absurde Gedanke, dass er keine Kondition in seinen Gesichtsmuskeln haben könnte. Was eigentlich schade wäre, denn gerade die konnte man für bestimmte Dinge immer gut gebrauchen. Bei diesem Gedanken schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, welches ich sofort wieder verschwinden ließ. Was dachte ich da nur wieder?
Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich kurz überrascht mit den Augenliedern zuckte, als Jes sich wieder bückte, um den Deckel nun endgültig aufzuheben. Das tat er jedoch nicht, ohne mir vorher einen Blick zuzuwerfen, den man ohne weiteres erkennen konnte. Dieses übertriebene Misstrauen zauberte mir ein Grinsen ins Gesicht und ich verwarf die Idee, so zu tun, als wolle ich den Deckel auch aufheben wollen. Ich beließ es bei der Idee, man musste es ja nicht übertreiben. Ich sah meinem Tischnachbarn dabei zu, wie er den Deckel wieder auf das Fässchen schraubte und stützte dabei mein Kinn auf meiner linken Hand ab. Der Unterricht war bald schon zu ende und ich begann meine Sachen langsam einzuräumen. Die Zeit war davongeflogen, so schien es mir. Aber es hatte doch Spaß gemacht und was ich nebenbei vom Unterricht mitbekommen hatte, war sowieso nur Wiederholung gewesen. Das konnte ich auch immer noch machen. Es fiel mir nicht allzu schwer mir Daten zu merken und was an welchen vorgefallen war. Das würde ich wohl schaffen.
Jes war ein wenig eher fertig als ich und war schon auf dem Weg zur Tür, um den Klassenraum zu verlassen, als er mir noch einmal zunickte. Mir fiel ein, dass ich ihn ja noch was fragen wollte. Es konnte ja nicht angehen, dass er mir nicht glaubte. Ich hatte zwar so langsam das Gefühl, dass er mich damit nur triezen wollte, aber sicher war ich mir nicht. Es konnte gut sein, dass es so war, als Rache für den kleinen Zwischenfall, aber ich ließ mich doch so gerne provozieren. Also beeilte ich mich, ihm nachzukommen und war mit wenigen Schritten bei ihm. Er war nicht sonderlich schnell gelaufen, also hatte mir das keine großen Schwierigkeiten gemacht. Ich schlenderte eine kurze Weile neben ihm her, bis wir aus der Hör- und Sehweite der anderen Schüler waren und stellte mich dann direkt vor ihn und legte ihm meine Hand auf die Brust, damit er anhielt. Meine Augen funkelten leicht herausfordernd aber auch amüsiert. Irgendwie hatte es was, so vor ihm zu stehen.
Ich trat einen Schritt auf ihn zu, hatte die Hand immer noch auf seiner Brust liegen und legte den Kopf ein wenig schief. “Eine Frechheit, mir so was auch nur ansatzweise zu unterstellen“, meinte ich und stemmte meine andere Hand in meine Hüfte. Ich sagte bewusst nicht, was ich genau meinte. Noch wollte ich ihn nicht gehen lassen..
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Eigentlich hätte ich es mir denken können. Das war etwas, was eigentlich nur weibliche Wesen taten. Schon nach kurzer Zeit ging ich nicht mehr allein den Gang hinunter. Natalia war mir gefolgt und lief neben mir her. Ich zeigte mit keiner Regung, dass ich sie bemerkt hatte. Wieso auch? Ich war mir sicher, dass sie wusste, dass ich wusste, dass sie da war, wieso sollte ich ihr das also zeigen? Außerdem war sie mir gefolgt, das hieß, sie sollte auch das Gespräch starten – wenn sie an einer Unterhaltung interessiert war. Vielleicht musste sie ja auch nur zufällig den gleichen Weg entlang. Wer wusste schon, was in ihrem Kopf vorging? Ich jedenfalls hatte keine große Lust, mir großartige Gedanken darüber zu machen. In den wenigen Tagen, die ich jetzt wieder hier war, war mir jedes Mal etwas Schreckliches passiert, wenn meine Gedanken ein wenig mehr um ein Mädchen gekreist waren.
Zu erst war da Danielle. Es war nur eine kleine Spritztour auf einem unscheinbaren Besen und schon wurden wir von ihrem großen Bruder dabei erwischt. Es wäre nur halb so schlimm gewesen, wäre es irgendein anderer Vertrauensschüler gewesen. Zwar war zwischen Danielle und mir nichts gewesen – dafür war sie auch noch ein wenig zu jung – aber große Brüder – vor allem wenn sie Matthew DeWinther hießen – interpretieren so was ja schnell etwas anders. Und dann natürlich Penny. Dazu gab es ja wohl nichts mehr zu sagen. Es war einfach nur... mir fiel komischerweise kein Wort dazu ein. Obwohl ich von mir behaupten konnte, dass ich über einen recht großen Wortschatz verfügte.
Irritiert blieb ich stehen, als Natalias Hand auf meiner Brust lag. Mit ausdruckslosem Gesicht sah ich auf ihre Hand hinunter, anschließend ließ ich meinen Blick zu ihren Augen wandern, in denen es herausfordernd und amüsiert funkelte. Langsam hob ich meine rechte Augenbraue. “Eine Frechheit, mir so was auch nur ansatzweise zu unterstellen“. Nun stemmte sie ihre andere Hand in ihre Hüfte. Sie wollte mich wirklich herausfordern. Wahrscheinlich, weil ich sie ein wenig übertrieben misstrauisch beäugt hatte, als ich den Deckel aufgehoben hatte. Das jetzt sagen? Nein. Also mitspielen. “ Was sollte ich dir unterstellen?“ Ja, die monotone Stimmlage konnte ich wohl perfekt. Ich hatte im Moment nicht wirklich Lust darauf, mitzuspielen, aber es lag wohl in meiner Natur. Da konnte ich einfach nicht nein sagen. Aber vielleicht hörte sie ja bald damit auf. Auf jeden Fall lenkte sie mich aber von meinen düsteren Gedanken ab.
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Hatte ich erwartet, dass er irgendwie auf meine Anwesenheit reagierte? Nein, ehrlich gesagt nicht, das wäre wohl auch zuviel verlangt gewesen. Ich war mir jedoch sicher, dass er mich bemerkt hatte. Schließlich marschierte ich halb in seinem Blickwinkel herum. Jedenfalls ließ sich Jes nichts dergleichen anmerken. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen wartete ich ab, bis wir außer Reichweite waren.
Jesroes leicht irritierter Blick, als er auf meine Hand schaute, die nun auf seiner Brust lag, amüsierte mich noch ein wenig mehr. Dann hob er den Kopf und sah mich an. Mit leichtem Wohlwollen erwiderte ich seinen Blick. Wie schon einmal erwähnt, hatte es was, so vor ihm zu stehen. Er war ja an sich ein ganz hübscher Kerl und das was ich von seiner Brust fühlte, war.. wow!
Ich sah, wie er langsam eine Augenbraue anhob und kräuselte meine Lippen zu einem leichten Lächeln. “ Was sollte ich dir unterstellen?“, fragte er mit seiner monotonen Stimmlage und nun war es an mir, meine Augenbraue in die Höhe fahren zu lassen. Er wusste ganz genau, wovon ich sprach. Man sah es ihm nicht an und man hörte es auch nicht an seiner Stimme, aber es war so ziemlich klar. Ich ließ meinen Blick kurz von seinen Augen herabwandern, bis zu meiner Hand, die ich nun langsam nach oben fahren ließ, bis sie an seinem Kragen war, den ich mit der Hand umfasste. Dann schaute ich dem Slytherin wieder in die Augen und zog ihn zu mir herunter, bis er mit seinem Gesicht dem meinem sehr nahe war. Ich beugte mich zu ihm vor und flüsterte ihm ins Ohr: “Das weißt du ganz genau, Cariño.“
Ich drückte ihn, nachdem ich dies gesagt hatte, wieder ein wenig von mir weg und hob meine andere Hand an. Mit beiden Händen machte ich mich nun an seinem Kragen zu schaffen, um diesen wieder in Ordnung zu bringen. Ich strich seinen Umhang drum herum noch ein wenig glatt und machte dabei einen recht zufriedenen Gesichtsausdruck. Ich musste sagen, dass ich immer mehr Gefallen daran fand. Nicht nur an diesem kleinen Spielchen sondern auch an Jes.
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Meine Antwort zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Allerdings war es nicht ihre einzige Reaktion darauf. Genau wie ich zuvor, zog nun auch sie ihre Augenbraue in die Höhe. Jetzt hatte ich eigentlich mit einer Antwort gerechnet – mit einer rein verbalen, versteht sich. Allerdings sah sie selbst auf ihre Hand hinunter, um diese dann langsam meine Brust nach oben gleiten zu lassen, bis sie meinen Kragen erreichte und diesen umfasste. Während sie dies tat sah ich nicht, wie ich es als Reaktion eigentlich hätte machen wollen, ihrer Hand nach, sondern fixierte ihre Augen – was allerdings nicht viel brachte, da diese auf meinen Kragen gerichtet waren. Doch ich musste nicht allzu lange darauf warten, dass ihr Blick den meinen traf. Denn sobald ihre Hand sich um meinen Kragen geschlossen hatte, sah sie wieder nach oben zu mir. Damit, dass sie mich nun ein wenig zu sich herunter zog, hatte ich schon irgendwie gerechnet. Ich ließ es geschehen, da ich einerseits keine Lust auf etwaige Auseinandersetzungen hatte und andererseits ein wenig neugierig war. Das war wahrscheinlich die wahre Magie der Frauen – sie schafften es, dass jedes männliche Wesen neugierig wurde.
“Das weißt du ganz genau, Cariño.“ Nach den Worten wurde ich von ihr wieder zurückgedrückt und fein säuberlich benutzte sie nun beide Hände dazu, meinen Kragen wieder zu glätten. Ihr Gesichtsausdruck dabei war so zufrieden, als hätte sie einen Tisch wunderbar romantisch gedeckt und sie würde gerade die Kerzen anzünden. Doch zurück zu ihren Worten. Sie wollte also auch ein Spiel spielen. Anscheinend wollte hier jeder irgendein Spiel spielen und bis heute Morgen hatte ich auch noch sehr viel Spaß daran gehabt, doch allmählich wurde es ziemlich lästig, als würde es mich verfolgen. Also zog ich einen Mundwinkel ein wenig nach hinten, so dass meine Lippen zu einem spöttischen Grinsen verzogen waren. “Man kann nie vorsichtig genug sein.“
Nachdem ich die Worte ausgesprochen hatte, nahm ich Natalia an den Schultern und drehte sie um. Anschließend schob ich sie den Gang weiter. Auch beim Laufen ließ sich reden und ich hatte nun wirklich Hunger. Also schlug ich den Weg in Richtung Große Halle ein. Natalia konnte gerne mitkommen, wenn sie wollte und wenn nicht.. dann eben nicht. Im Moment wollte ich nur meinen Magen beruhigen.
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Ich spürte die ganze Zeit über seinen Blick auf mir, während ich in aller Seelenruhe meine Hand zu seinem Kragen gleiten ließ. Als ich nach vollbrachter Tat wieder zu ihm nach oben sah, konnte ich in seinem Blick nichts, aber auch gar nichts erkennen. Keine Überraschung, keine Wut, keine Freude. Nichts. War dieser Kerl eigentlich zu irgendeiner Gefühlsregung im Stande? Wo wir wieder bei der Gesichtsmuskulatur wären.. Ein kleiner Seufzer entwich meinem Mund.
Er ließ alles erst einmal geschehen. Hinderte mich nicht daran, ihn zu mir herunter zu ziehen und auch nicht daran seinen Kragen herzurichten. Als ich auch damit fertig war und meinen Kopf wieder leicht anhob, um ihm in die Augen zu sehen, hatte Jes ein spöttisches Lächeln auf seinen Lippen. Also konnte er es doch.. “Man kann nie vorsichtig genug sein.“, war seine Antwort und als Reaktion verschränkte ich langsam meine Arme vor meiner Brust und warf ihm einen leicht arroganten Blick zu, wobei ich dennoch lächelte. “Sehe ich so gefährlich aus?“, fragte ich leise und machte dabei eine etwas übertrieben unschuldige Miene, wobei ich einen kurzen Blick zur Decke warf.
Dann jedoch überraschte er mich. Der Slytherin legte seine Hände auf meine Schulter und drehte mich um. Mit einem leisen “Huh?“ ließ ich es geschehen und machte im ersten Moment auch große Augen. Dann begann er mich den Gang weiterzuschieben und ich blinzelte ein paar Mal verwirrt. “Was..“ ..war denn nun los? Etwas irritiert schaute ich auf seine Hände, die noch auf meinen Schultern lagen, nur um ihn dann einen Blick über eben jene hin zuzuwerfen. Fragend hatte ich die Augenbrauen zusammenbezogen und verlangte eine Antwort. Währenddessen lief ich einfach erst mal in die Richtung, in die er mich bugsiert hatte, ohne wirklich zu merken, dass es der Weg in die Große Halle war. Wie hätte ich das auch merken können? Ich war ja zu sehr damit beschäftigt, mit Blicken eine Antwort aus ihm herauszukitzeln, wobei ich mir eigentlich ziemlich sicher sein konnte, dass er nichts sagen würde. Bisher hatte er nichts ungefragt von sich gegeben und ich war überzeugt, dass es dieses Mal genauso sein würde. Aber einen Versuch war es dennoch wert. Meine Chancen standen 1 zu 100, darauf wettete ich.
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Es war unglaublich, wie einem so ein kleines Ding namens Magen aufregen konnte. Es war zwar kein Grummeln, wie es sonst oft der Fall war, dafür tat er aber ziemlich weh, was für seine eher kleine Größe wirklich beachtlich war. Zum Glück kam das bei mir nicht allzu oft vor, doch wenn es mal soweit war, dann sollte – und wollte – ich ihn ein wenig beruhigen. Also ließ ich meine linke Hand sinken und schob meine rechte ungefähr mittig auf Natalias Rücken, sodass ich sie schräg vor mir her bugsieren konnte. So war es für mich wesentlich gemütlicher und die Gefahr, dass ich ihr in die Füße trete, war eindeutig gesunken.
Auf ihre Frage, ob sie so gefährlich aussehe, sagte ich einfach gar nichts. Im Allgemeinen sah sie nicht so gefährlich aus, aber sie hatte diesen herausfordernden Blick sehr gut drauf, was sie wieder ein wenig gefährlicher machte – vom Aussehen her. Da ich keine vielen Worte für eine so belanglose Antwort verschwenden wollte, sagte ich also nichts und reagierte auch sonst nicht darauf. Vielleicht würde sie das ein wenig aufregen, aber mein Magen war mir im Moment wirklich wichtiger.
Auch ihr kleines „Huh?“ überging ich geflissentlich, ebenso wie ihre beginnende Frage. Sie sollte auf den Weg achten, den ich einschlug, dann würde sie schon wissen, wo ich hin wollte. Zwar registrierte ich ihren fragenden Blick, jedoch ließ ich mir das nicht anmerken. Wieso verschwendeten so viele Leute so viele Worte für völlig belanglose Dinge, die man auch ohne Worte gut feststellen konnte? Nun, ich war wirklich nicht sehr extrovertiert, was allerdings daran lag, dass ich keinen Sinn darin sah, viel zu reden. Es reichte doch, das zu sagen, was man für wichtig hielt und nicht einfach dumm drauflos zu reden, nur um etwas zu sagen.
Gerade noch rechtzeitig, merkte ich, dass sie mich immer noch ansah und so die Treppe nicht sah, die uns ein Stockwerk tiefer bringen würde. Wie gesagt, war ich kein Mann der vielen Worte, also nahm ich nun auch wieder meine linke Hand zur Hilfe, nahm Natalia an der Hüfte und trug sie runter. Sie war leicht, ein Fliegengewicht. Wahrscheinlich hatte ich sie damit wieder ein wenig geschockt, aber das war mir egal, ich wollte so schnell wie möglich in die große Halle, um meinen schmerzenden Magen zu beruhigen und hätte ich ihr gesagt, dass dort eine Treppe war, wäre sie sicher vor Überraschung stehen geblieben und das hätte mich ein paar weitere Sekunden von meinem Essen zurückgehalten. Das konnte ich meinem Magen wirklich nicht antun.
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Dass ich auf meine Frage keine Antwort bekam, löste leichtes Empören in mir aus. Es war jawohl nicht zuviel verlangt, dass er wenigstens auf eine gezielte Frage antwortete, oder? Für ihn anscheinend schon, den er übte sich in Schweigen. Das ließ mich augenrollend eine Haarsträhne aus meinem Gesicht pusten, die sich verirrt hatte. Ja ich merkte schon, Herr Jesroe war ein unheimlich gesprächiger Mensch, wie ich nun feststellen durfte. Aber es war ja allgemein bekannt, jedenfalls bei uns im Jahrgang, dass er nicht sonderlich gesellig war.
Nachdem er mich umgedreht hatte und mich den Gang entlang bugsierte, spürte ich, wie er eine Hand von meiner Schulter nahm und die andere zur Mitte meines Rücken wandern ließ. Ein kleiner Schauer lief mir dabei den Rücken hinab. Wie ich schon geahnt hatte, sagte er nichts auf meinen fragenden Blick hin. Es war so klar gewesen. Nachdem er nicht mal auf eine direkte Frage antwortete, konnte man mit 100 %iger Sicherheit davon ausgehen, dass er auf einen einfachen Blick erst recht nichts erwidern würde. Aber eben diese Tatsache machte mich neugierig. Was ging in seinem hübschen Kopf vor? Woran dachte er? Wenn er schon nicht viel redete musste er umso mehr denken und mich interessierte wahnsinnig, worum im Moment seine Gedanken kreisten. Jedoch wollte ich ihn nicht direkt danach fragen. Das wäre auch ein wenig sehr persönlich gewesen und ziemlich dreist noch dazu.
Ich hatte die ganze Zeit über meinen Blick nicht von ihm abgewandt und so wusste ich nicht, dass wir geradewegs auf eine Treppe zusteuerten. Dank Jes jedoch, fiel ich diese nicht runter. Hatte er mich vorhin schon mit seiner Aktion, mich einfach umzudrehen und den Gang entlang zu schieben schon überrascht, so staunte ich nun auch nicht schlecht. Am Treppenansatz umfasste er plötzlich meine Hüfte und hob mich hoch, um mich die Treppe herunter zu tragen. Aus Reflex hielt ich mich sofort an ihm fest und gab einen überraschten Laut von mir, der stark an ein “Huch..?“ erinnerte. Mit großen Augen schaute ich ihn an, blinzelte ein paar Mal und legte dann langsam meine Arme um seinen Hals, um einen besseren Halt zu bekommen. Dieser Kerl war wirklich unglaublich. Nebenbei fiel mir auch auf, dass er der Erste war, der mich jemals eine Treppe hinuntertrug. Der Erste der mich überhaupt wirklich trug. Bisher wurde ich nur mal hochgehoben oder sonst was, aber richtig getragen wurde ich bisher nur von meinen Eltern und das war nun auch schon eine ganze Weile her. Allerdings konnte ich mich nicht beklagen, es gefiel mir sogar auf eine verrückte Art und Weise, von Jes auf dem Arm gehalten zu werden. Das überraschte mich allerdings auch, denn ich war immer der Meinung gewesen, dass ich als so etwas großes Mädchen nicht mehr nötig hatte. Jedoch durfte ich gerade das Gegenteil feststellen.
Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. “Besten Dank auch.“, meinte ich zu Jes, der mich in voller Gentleman Manier, die komplette Treppe auf seinem Arm behielt. Meine Dankbarkeit war durchaus ehrlich, genau wie mein Lächeln, welches ich ihm schenkte. Zu gerne hätte ich ihm dafür einen Kuss auf die Wange gegeben, den er sich wahrlich verdient hätte. Kurzentschlossen tat ich dies dann auch einfach.
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Es war wirklich interessant, wie oft ein Mädchen innerhalb von so kurzer Zeit kleine Worte wie ‚was’ oder ‚huch’ verwendete – wobei ‚huch’ schon fast Stil hatte. Als ich es nun das zweite Mal hörte, schlich sich ein leicht belustigtes Funkeln in meine Augen. Vielleicht war es ja Natalias Lieblinswort. Wenn ja, dann würde ich es bis zur Großen Halle vielleicht noch öfters hören, obwohl wir unserem – oder eher meinem – Ziel schon recht nahe waren.
“Besten Dank auch.“ Als hätte ich schon immer gewusst, dass sie sich bei mir bedanken würde, nickte ich. Wahrscheinlich sah es recht selbstzufrieden aus, aber das war mir egal. Sollte sie doch denken was sie wollte. Gerade, als ich sie wieder auf den Boden setzten wollte, weil die Treppe zu Ende war, gab sie mir einen Kuss auf die Wange. Mädchen! Es hätte auch bei der verbalen Danksagung bleiben können, aber Mädchen wollten immer gleich alles mit irgendetwas verdeutlichen. Aber wenn sie dachte, dass ich darauf jetzt irgendwie besonders reagieren würde, dann hatte sie sich getäuscht. Im Moment hatte ich wirklich genug von etwaigen Gefühlsduseleien. Damit hätte ich eh nie anfangen sollen, was nun allerdings zu spät war. Doch ich musste jetzt ja nicht damit weitermachen. Also setzte ich sie einfach auf den Boden und schob sie weiter Richtung Große Halle.
“An welchen Tisch willst du?“, fragte ich sie schließlich, als wir vor der Tür standen, die uns noch vom Essen trennte, was ich wirklich nötig hatte, mein Magen schien schon bald zu implodieren. Noch während ich die letzten Worte aussprach öffnete ich die Tür und hielt sie meiner Begleiterin auf. Wahrscheinlich hätte ich jetzt eine angedeutete Verbeugung gemacht – wäre ich in der Stimmung dafür gewesen, aber meine Stimmung für diesen Tag hatte sich wohl entgültig verflüchtigt.
Gehe nach: Leere Mägen soll man füllen
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Da ich Jes die ganze Zeit über mehr oder minder überrascht und dankbar zugleich angesehen hatte, entging mir nicht das leichte amüsierte Funkeln, welches in seine Augen trat, als ich mein Huch von mir gab. Gefiel es ihm etwa mich in Erstaunen zu versetzen oder fand er meine Reaktion einfach nur witzig? Es konnte natürlich auch sein, dass er einfach Spaß daran hatte, mich ein wenig zu ärgern, so wie ich im Unterricht. Ich wusste es nicht und war mir auch nicht so sicher, ob ich es wirklich wissen wollte.
Ich war froh, dass er nicht fragte, warum ich ihn geküsst hatte. Ich hätte es ihm wahrscheinlich sowieso nicht erklären können. Irgendwie war ich der Meinung gewesen, dass er diesen Kuss verdient hatte und dieser Meinung war ich immer noch, aber eine vernünftige Erklärung hätte ich ihm dafür trotzdem nicht geben können. Deswegen war ich eigentlich ganz froh, dass er, wie immer, nicht wirklich drauf reagierte und ließ mich von ihm wieder auf den Boden absetzen. Ich nahm meine Arme, die immer noch um seinen Nacken lagen, wieder herunter und spürte abermals seine Hand auf meinem Rücken, die mich weiterschob. Wo wollte er denn überhaupt hin? Das wusste ich irgendwie immer noch nicht, aber ich hatte ja auch nicht direkt gefragt, also war ich wohl selber Schuld an meiner Unwissenheit. Es war eben zu viel verlangt auf einen deutlich fragenden Blick eine Antwort zu bekommen, jedenfalls von einem Mann. Vor allem von einem wie Jes.
“An welchen Tisch willst du?“, hörte ich Jesroe fragen und blinzelte irritiert. Von was für Tischen redete er? Da bemerkte ich, dass wir vor der Tür zur Großen Halle standen. Ich war so in Gedanken gewesen, dass ich nicht wirklich bemerkt hatte, wo er mich hingeschoben hatte. Dies wäre so ein Moment, in dem mit einem lauten PLING die altbekannte Glühbirne über dem Kopf zu leuchten begann. Jes öffnete bei seinen letzten Worten die Tür und hielt mir diese auf. Ja, wie gesagt, Gentleman durch und durch, wie es schien. Fehlte nur die leichte angedeutete Verbeugung und es wäre perfekt. Ein kleines Grinsen umspielte meine Lippen, während ich über seine Frage nachdachte. An welchen Tisch wollte ich denn? Meinem Gefühl nach, hätte ich jetzt Hufflepuff gesagt, aber mir bot sich gerade die Chance, die wohl nicht viele hatten. Wenn ich genau drüber nachdachte, konnten sich ja eigentlich alle hinsetzen, wo sie wollten, taten dies nur auf Grund der Häusereinteilung nicht. Ich entschied mich, dass mir das jetzt scheißegal war und machte mit dem Kopf eine Bewegung Richtung Slytherintisch. Da hatte ich noch nie dran gesessen. An Gryffindor und Ravenclaw auch nicht, aber die interessierten mich gerade herzlich wenig. Ich war ja auch nicht mit einem aus diesen beiden Häusern unterwegs.
In der Halle waren schon einige Schüler und aßen. Der Geruch von Essen stieg mir in die Nase und ich bemerkte den Hunger. Also ging ich langsam auf den auserwählten Tisch zu und machte mich auf mehr als nur blöde Gesichter gefasst. Es war keine Angst, die in mir schlummerte, je näher ich dem Slytherintisch kam. Man konnte es eher als eine Art erwartungsvolle Aufregung bezeichnen. Wer wusste schon, wie Slytherins reagierten, wenn sich eine Hufflepuff ganz dreist an ihrem Tisch niederließ. Bei Jes ging ich mal getrost davon aus, dass es ihm schnurz war, sonst hätte er nicht eine solche Frage gestellt. Ich nahm mal einfach an, dass er kein Problem damit hätte, an jedem anderen Tisch zu sitzen und sich mehr aus Gewohnheit als Häuserdenken an dem seines Hauses niederließ. Genau konnte ich dies zwar nicht wissen, aber ich vermutete einfach mal, dass es eben so war. Eigentlich konnte es mir auch egal sein.
Gehe nach: Leere Mägen soll man füllen
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