Komme von: Zögerliche Annäherungsversuche
Heute war ein wirklich gar wunderbarer Tag! Warum genau das so war wusste ich nicht, aber ich spürte es schon beim aufstehen. Es war Freitag, mit Betonung auf frei. Ja, selbst ein Streber wie ich genoss manchmal das ausschlafen. Obwohl ich heute wieder einmal bemerkte, das ausschlafen ein sehr relativer Begriff war. Mein Wecker holte mich gegen 9 Uhr morgens aus dem Schlummerland und ich war sofort hellwach. Hastig stellte ich den Wecker ab um den anderen Schlafmützen im Raum ihren Schönheitsschlaf weiterhin zu gönnen. Ich war längst ausgeschlafen und ich fragte mich, wie man bloss so lange im Bett liegen konnte. Da verpasste man doch den ganzen Tag, der heute ein ausserordentlich guter zu werden versprach!
Fast etwas übermütig warf ich die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Der Fussboden unter meinen nackten Fusssohlen war fast eisig kalt, aber auch das vermochte meine gute Laune nicht im geringsten zu trüben. Warum hatte ich überhaupt solch gute Laune? Wahrscheinlich lag es daran, dass in meinem Baum immernoch ein paar vereinzelte Schmetterlinge Flamenco tanzten und der Gedanke an Elodie der letzte war den ich gestern Abend hatte und der erste, der sich heute Morgen in mein Bewusstsein gestohlen hatte. Möglicherweise lag es auch an dem wunderschönen Wetter! Na gut, zugegeben, das bisschen Sonne war nicht gerade traumhaftes Spätsommerwetter wie man es sich wünschte. Aber das war egal, heute hätte es aus Eimern regnen können und ich wäre begeistert gewesen. Also lag es wohl doch an Elodie... Jaja, ganz bestimmt lag es an diesem wunderbaren Mädchen, dem ich meinen ersten Kuss geschenkt hatte.
Bei diesem Gedanken wurde das Lächeln, welches nahezu immer meine Lippen umspielte intensiver und irgendwie... gemeimnisvoller. Es war irgendwie
mein Lächeln, denn niemand wusste warum ich so vor mich hingrinste. Es war auch nicht gerade ein typischer Ausdruck für mich, wirkte ich so doch eher wie ein Honigkuchenpferd und nicht wie ein schon fast erwachsener, ehrgeiziger, junger Mann.
Auf, junger Herr Montague! Der Tag ist noch jung und will genutzt werden. Munterte ich mich schliesslich in Gedanken dazu auf, meinen Hintern von der Bettkante hochzuhieven. So ein Bett war eben doch sehr verlockend um liegen zu bleiben, aber ich wiederstand der Versuchung und stand auf. Ich war nicht der Einzige der schon wach war, denn als ich das gemeinsame Bad betrat hörte ich bereits laufendes Wasser und das Geräusch von Zähneputzen.
"Guten Morgen!" Flötete ich meinen Hausgenossen regelrecht entgegen, was diese mit einem irritierten Blick und einem noch müde gebrabbelten "Morgen" quittierten. Diese Jungs sollten sich schleunigst verlieben, das war der Beste Motivator morgens in die Gänge zu kommen.
Obwohl ich es irgendwie eilig hatte und mir wünschte es wäre schon bald Mittag und ich dann hoffentlich Elodie begegnen würde, erledigte ich meine Morgentoilette gemächlich. Auch wenn ich mich ein wenig dazu zwingen musste nicht alles viel zu hastig zu erledigen und sofort in die Grosse Halle zu rennen um dort vielleicht auf sie zu treffen. Schliesslich wollte ich erst etwas lernen und das in den Sommerferien verloren gegangene Wissen wieder auffrischen. Elodie musste also wohl oder übel warten. Für mich traf definitiv zweiteres zu. Aber vielleicht war Elodie ganz froh erst etwas Ruhe vor mir zu haben...? Nein, bestimmt nicht. Oder doch? Wer weiss... Ich auf jedenfall nicht. Mir fiel erst jetzt auf, das ich gar nicht richtig wusste wie Elodie dazu stand. Wie stand es überhaupt um uns? Machte uns dieser Kuss zu einem Paar? Oder wollte das Elodie nicht? Interpretierte ich da viel zu viel hinein? Oder, oder, oder...?
Bei diesem Gedanken hörten die Schmetterlinge in meinem Bauch auf Flamenco zu tanzen und liessen für kurze Zeit ihre Flügel hängen. Aber sie waren noch merkbar da, wenn auch nicht mehr so enthusiastisch. Nun, es gab wohl nur einen Weg das herauszufinden. Ich musste mit Elodie reden. Aber nicht jetzt. Erst stand lernen auf dem Programm. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. So packte ich frisch geduscht, gekämmt, angezogen und noch immer gut gelaunt meine sieben Sachen und verliess den Gemeinschaftsraum in Richtung Grosse Halle.
Dort angekommen sprangen mir die typischen Gerüche und der Lärm regelrecht entgegen. Für meine empfindlichen Sinne waren diese massigen Eindrücke jeweils regelrecht erschlagend, aber ich hatte mich mittlerweile daran gewöhnt. Anfangs war es wirklich sehr schwierig gewesen mich hier drin zu orientieren. Überall standen Menschen, Tische, Stühle... Der Lärm verwirrte meine Sinne. Aber heutzutage fand ich mich auf anhieb zurecht, ergatterte einen freien Stuhl und setze mich. Mittlerweile konnte ich aus der Menge sogar die Stimmen meiner Freunde heraushören und mich zu ihnen setzen. Heute jedoch waren keine meiner Freunde am Tisch, sie schliefen wohl alle noch oder hatten schon gefrühstückt. So setzte ich mich hin wo gerade etwas frei war und begrüsste meine Sitznachbarn freundlich. Kaum hatte ich mich gesetzt, bemerkte ich jedoch, dass die Schmetterlinge meinen Bauch irgendwie in Beschlag genommen hatten und so kaum noch platz für etwas zu Essen blieb. Ich roch all das Essen - es roch wirklich wunderbar - aber verspürte absolut keinen Appetit. Aber ich sollte doch etwas Energie tanken zum lernen... Nun, da musste wohl ein Glas Saft reichen für heute. Dieses genehmigte ich mir auch und verliess die Grosse Halle wieder um mich in den Gemeinschaftsraum zurück zu ziehen und in meinen Büchern zu stöbern. Dies tat ich - wenn man von den Unterbrüchen in denen ich an Elodie dachte absah - pflichtbewusst und interessiert bis zum Mittag hin. Dann meldete sich doch allmählich mein Magen. Wohl hatten auch die Schmetterlinge allmählich Hunger. Ich liess meine Finger noch zackig bis zum Seitenende gleiten, legte dann ein Buchzeichen zwischen die Seiten und rollte das Pergament zusammen, auf dem meine flotte Schreibfeder die Dinge notierte, die ich ihr diktierte.
Meine Schultasche geschultert verliess ich dann den Gemeinschaftsraum zum zweiten Mal um in die Grosse Halle zu gehen und mein ausgelassenes Frühstück nachzuholen. Vielleicht würde ich nun auf Elodie treffen, auf Joslyn oder einen meiner Freunde? Auf jedenfall freute ich mich nach dem eher einsamen Morgen auf etwas Gesellschaft, egal von wem. So setzte ich mich in guter Hoffnung an den Ravenclawtisch und spitzte meine Ohren um zu horchen ob jemand da war, den ich kannte.
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